Steigende Jugendkriminalität: "Wollte cool wie ein Gangster sein"

Junge Männer stehen in einer Gruppe zusammen
Die Fälle nehmen zu, Banden werden brutaler – das merkt auch die Staatsanwaltschaft Wien. Allein die Anklage gegen zehn Beschuldigte der "Schutzgeld-Bande" ist 133 Seiten lang.

Erst wird ein Molotowcocktail gegen die Auslagenscheibe eines Wiener Handyshops geworfen. Später überfallen Vermummte mit Messern und Macheten das Geschäft und rauben Handys. Und schließlich landet ein Brandsatz im Inneren des Ladens, der nur durch großen Zufall kein Flammeninferno verursacht. Der nächste Schritt wäre eine zwei Kilo schwere Bombe gewesen, die bereits gebaut war.

Die Tatverdächtigen: zehn Jugendliche, allesamt mit Migrationshintergrund. Kein Job, wenig Ausbildung, hohe kriminelle Energie. Der Jüngste ist 15 Jahre, der Älteste 19. Was ihnen vorgeworfen wird, füllt Bände. Allein die Anklageschrift umfasst 133 Seiten. Es geht unter anderem um Schutzgelderpressung, kriminelle Vereinigung und verbrecherisches Komplott. Sechs der Beschuldigten sitzen in U-Haft.

„Wir beobachten bei Jugendlichen immer öfter Zusammenschlüsse zu Banden“, sagt Nina Bussek, Sprecherin der Staatsanwaltschaft Wien. Die Schutzgeld-Bande ist nur ein prominentes Beispiel von vielen.

Ruf als Verbrecher

Dahinter stehen junge Männer, die sich durch Ausübung von Gewalt selbst definieren. Die sich einen Ruf als Verbrecher aufbauen wollen, um respektiert zu werden. Und die mit ihren Plänen prahlen. Einer der mutmaßlichen Köpfe der Bande erklärte: „Ich wollte Geld verdienen und cool wie ein Gangster sein.“

Die Angriffe auf den Handyshop hatten nur einen Zweck: Man wollte den Betreiber einschüchtern und Schutzgeld von ihm erpressen. „Die Hälfte des Nettoverdienstes“ hielten die Beschuldigten für eine angemessene Summe. Selbst gaben sie sich den Namen „Schutzgeld Mafia Tokarew“ (nach der gleichnamigen Pistole, Anm.). Ihre Delikte filmten sie mit einem Handy – sie wollten ihre Taten festhalten.

Steigende Jugendkriminalität: "Wollte cool wie ein Gangster sein"

Diesen Drohbrief übermittelten die Jugendlichen dem Betreiber des Handyshops

Ihre Pläne schmiedeten sie in den Räumlichkeiten einer Moschee in Meidling. Zur Ausführung ihrer Taten hatten sie auch Schusswaffen organisiert, darunter eine Kalaschnikow. Sie suchten Zeitungsartikel über ihre kriminellen Machenschaften. Sollte einer von ihnen gefasst werden, wollten sie Anschläge auf Polizeiinspektionen und Behörden durchführen. Bei einigen der Beschuldigten steht im Raum, dass sie eine „fortgeschrittene religiös-islamistische Radikalisierung“ aufweisen.

Raub, Terror, Gewalt

„Die Gewaltbereitschaft ist klar gestiegen“, hält die leitende Staatsanwältin Michaela Obenaus fest. Genaue Zahlen habe man nicht, aber man beobachte seit einiger Zeit bei Jugendlichen die Zunahme von schweren Delikten. Raub, Terror, Gewalt, sexuelle Übergriffe – wie zuletzt gegen ein zwölfjähriges Mädchen, das von bis zu 30 jungen Männern missbraucht worden sein soll. Oder auch der 17-Jährige, der zwei Obdachlose getötet haben und eine weitere Frau schwer verletzt haben soll.

13 Staatsanwältinnen und Staatsanwälte in Wien befassen sich ausschließlich mit Jugendstrafsachen. Ihnen wird die Arbeit nicht ausgehen. „Dieser Trend wird anhalten“, glaubt auch die Staatsanwaltschaft Wien. Prävention und Bewusstseinsbildung seien daher wichtig. Zur Herabsetzung der Strafmündigkeit auf zwölf Jahre (aktuell wird man in Österreich mit 14 Jahren strafmündig), will man aber nicht öffentlich Stellung nehmen. „Das ist eine rechtspolitische Frage, die ich an das Justizministerium weitergebe. Wir beteiligen uns aber gerne an der Diskussion“, sagt Leiterin Obenaus.

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