„Mach es für mich“
An einem Tag im Jänner oder Februar des vergangenen Jahres lernt Lara den 16-jährigen A. kennen. Die beiden treffen sich in einem Park – ein beliebter Treffpunkt für Jugendliche. Die Burschen nutzen ihn gerne zum Trainieren. A. winkt Lara zu sich, er fragt nach ihrem Namen. Wenig später tauschen die beiden ihre Daten über Snapchat aus. Und schon am nächsten Tag schreibt ihr der Bursche mit den wuscheligen Haaren. Wieder treffen sich die beiden. Es ist kalt, sie gehen in ein Stiegenhaus, es kommt zu einem ersten Kuss. „Das war auch okay für mich“, sagt Lara. Doch A. will mehr. Lara sagt Nein, doch A. lässt nicht locker. Er bittet und bettelt. „Komm schon, bitte mach! Mach es für mich!“
Irgendwann gibt Lara nach. „Ich hatte das Gefühl, dass er mich nicht gehen lassen würde“, sagt das Mädchen. „Ich habe mich dazu gezwungen gefühlt.“ Danach geht Lara nach Hause. Als A. sie wieder kontaktiert und sich treffen will, lehnt sie ab.
Kurz darauf lernt Lara B. kennen. Wiederum im Park. B. ist ein Bekannter von A. Auch mit ihm kommt es zu einem Kuss, die Jugendlichen tauschen Daten aus. Mehr passiert nicht. Sie verabreden sich erneut. Lara täuscht deshalb sogar Bauschmerzen vor, um nicht in die Schule zu müssen. Doch beim Treffen will diesmal auch B. mehr. Lara sagt wieder „Nein“, doch auch B. lässt nicht locker. Lara gibt wieder nach. B. meldet sich danach lange nicht mehr; erst nachdem weitere Burschen Lara missbraucht haben. Dann schreibt er ihr, dass es Sexvideos von ihr gibt. Dass er sie löschen würde, wenn sie ihm wieder zur Verfügung steht.
„Schlampe!“
Denn im Freundeskreis aus dem Park spricht sich rasant herum, dass Lara eine „Schlampe“ sei. Dass man nur betteln müsse. Irgendwann sind bei den Treffen mehrere Burschen dabei. Einmal legen sie sogar ihr Geld zusammen, um ein Hotelzimmer zu mieten. Sie drohen ihr nicht, sie schlagen sie nicht, halten sie auch nicht fest. Aber die 13 Burschen umringen sie, fassen sie an. „Ich konnte nicht einfach weggehen“, sagt Lara.
Sie kann sich nur verschwommen an die Zeit erinnern. Sie erzählt, dass sie sich nachts aus ihrer Wohnung geschlichen hat. Dass sie die Schule schwänzte. „Ich habe mich nicht gewehrt, ich hatte Angst“, sagt sie. Als Druckmittel haben die Burschen – sie haben allesamt Migrationshintergrund – längst Fotos und Videos von ihr gesammelt, die sie untereinander verschicken.
Laras Eltern bekommen davon lange nichts mit. Sie spricht nicht mit ihnen darüber. Doch sie verhält sich anders. Als sich die Schule wegen der häufigen Fehlzeiten meldet, läuten die Alarmglocken. Die Eltern glauben an Drogen, lassen ihre Tochter testen – doch Lara hat kein Suchtgift genommen.
Ans Tageslicht kommt all das, weil einer der Burschen Laras späteren Freund anspricht. Ihn fragt, ob er wirklich mit „der Schlampe“ zusammen sei – sie würde seine Ehre beschmutzen. Er zeigt ihm auch Fotos und Videos. „Ja, sie wollte nicht, ich musste sie dazu zwingen“, erzählt er Laras Freund und lacht.
Laras Freund alarmiert die Mutter, er spricht Lara darauf an. Zögerlich, aber doch, erzählt das Mädchen, was passiert ist. Im Oktober findet Lara den Mut, ihre Peiniger anzuzeigen.
In der Vorwoche stehen 75 Polizisten um 4 Uhr Früh vor den Haustüren der Verdächtigen; sie müssen aussagen. Einige verweigern diese Aussage, einige bestreiten alles, einer bricht die Befragung ab: „Ich habe keinen Bock mehr, hier zu sein.“ Alle befinden sich auf freiem Fuß. Gegen einen wird wegen Vergewaltigung ermittelt, gegen die anderen „nur“ wegen sexuellen Missbrauchs von Unmündigen. Für Anwalt Sascha Flatz – er vertritt Lara – völlig unverständlich. „Für den Tatbestand der Vergewaltigung reicht schon die Freiheitsentziehung“, sagt er. Und die wäre auf alle Fälle beim Vorfall im Hotel gegeben.
Was aus den Ermittlungen hervorgeht: Lara könnte nicht das einzige Opfer gewesen sein. Es gibt Aussagen, wonach es auch Videos von anderen Mädchen geben soll.