Fördermissbrauch: Baufirma kochte Mittagessen für Kindergarten in Wien

Fördermissbrauch: Baufirma kochte Mittagessen für Kindergarten in Wien
Scharfe Kritik vom Stadtrechnungshof an Kindergartenbetreiber. Die Opposition fordert einen Förderstopp, die Stadt prüft etwaige Rückzahlungen.

Der aktuelle Prüfbericht des Stadtrechnungshofes hat es in sich. Drei Stellen wurden geprüft - bei der MA 11 die Organisation und Aufgabenwahrnehmung im Bereich der Pflegekinder, bei der MA 35 der Vollzug des Niederlassungs- Aufenthaltsgesetzes, beim KAV die Beschaffung von medizinisch-technischen Großgeräten und in der MA 10 die Förderungen an den Verein Kindergarten "Minibambini". 

Spannend ist vor allem jener zum Kindergarten "Minibambini". Im dritten Quartal 2022 prüfte der Stadtrechnungshof den Verein, der 2021 zehn Standorte in Wien führte (heute sind es laut Website zwölf) und 800 Kinder in 47 Gruppen betreute. Weil der Kindergarten beitragsfrei ist, wurde er von der Stadt im Betrachtungszeitrum 2019 bis 2021 mit Fördermitteln bedacht, außerdem erhielt er eine sogenannte Anstoßfinanzierung für die Schaffung weiterer Kindergartenplätze und eine Covid-Sonderfinanzierung. Insgesamt erhielt der Kindergarten zwischen 2019 und 2021 15,6 Millionen Euro an Förderungen. 

Zunächst einmal zum Kindergarten selbst: Betrieben wird er von Vesna J., Obfrau des Vereins und im Vorstand. Kassierin ist eine gewisse Aleksandra J., Leiter der Abteilung Personal, Einkauf und Küche ist Stefan J., zuständig für "Projektentwicklung" ist Sonja J. Alle Genannten tragen denselben Familiennamen. "Zwischen den Vertretungsorganen des Vereines Kindergarten Minibambini bestanden familiäre Beziehungen. Darüber hinaus waren 3 Familienmitglieder beim Verein Kindergarten Minibambini angestellt", schreibt der Stadtrechnungshof. dazu.

Laut Stadtrechnungshof, der die Gebarung, nicht das pädagogische Konzept des Kindergartens zwischen 2019 und 2021 prüfte, schloss der Verein "Minibambini" zahlreiche In-Sich-Geschäfte ab (die Obfrau des Vereins vermietete dem Kindergarten ein in ihrem Eigentum stehendes Objekt) , ließ das Catering für die Kinder von Bauunternehmen zubereiten, verfügte über einen teuren und laut Stadtrechnungshof nicht notwendigen Fuhrpark. 

Vier Bauunternehmen kochten das Mittagessen 

2,71 Millionen Euro waren laut Stadtrechnungshof auf dem Konto "Catering" des Vereins als Aufwendungen verbucht. Für das Essen der Kinder (Frühstück, Suppe, Hauptspeise, Nachspeise, jeweils 700 Portionen) wurde für das zweite Halbjahr 2019 ein Vertrag mit einer Baufirma abgeschlossen, laut Eigenbeschreibung: Stuckateure und Trockenausbauer.

2020 wurde eine Firma mit dem Geschäftszweig Baumeistergewerbe mit der täglichen Lieferung von ca. 750 Essensportionen beauftragt, 2021 eines mit dem Geschäftszweig Baumeistergewerbe, Hausbetreuung, Handel mit Waren aller Art“. 570.000 Euro wurden bezahlt - in bar. Gegründet wurde das Unternehmen 2020.

Insgesamt vier Bauunternehmen wurden mit dem Catering für die Kinder beauftragt, drei davon wurden später vom Finanzministerium als Scheinfirmen klassifiziert, keines der Unternehmen hatte laut Stadtrechnungshof eine Gastro-Gewerbeberechtigung.

„Ungewöhnlich“ ist es laut Stadtrechnungshof außerdem, dass die Zahlungen für das Catering in der Höhe von 2,7 Mio. Euro ausschließlich bar über die Vereinskassa erfolgten.

Insgesamt wurden zwischen 2019 und 2021 rund 4,2 Mio. Euro an Bauunternehmen ausbezahlt - auch für den (Aus)bau neuer Standorte. Das widerspreche zwar keinen Gesetzen, aber: „Die bare Auszahlung derart hoher Summen erschien dem StRH Wien als ungewöhnlich, jedenfalls aber nicht zweckmäßig und aus Gründen der Sicherheit nicht empfehlenswert.“

BMW X5 für den Haustechniker

Beeindruckend ist auch der Fuhrpark des Kindergartens, dessen Standorten teilweise nur knapp 300 Meter voneinander entfernt liegen (Hütteldorfer Straße 98 und Hütteldorfer Straße 133). Sieben Fahrzeuge scheinen im Prüfbericht auf. Darunter ein BMW X5 (Anschaffungskosten 115.000 Euro), den der Haustechniker, laut Stadtrechnungshof der Sohn der Familie, gefahren haben soll.

Der BMW 330d des Kindergartens wurde von der Schwiegertochter der Obfrau gekauft und vom Verein Kindergarten Minibambini geleast, der BMW X5 wurde vom Sohn der Obfrau  gekauft und vom Verein Kindergarten Minibambini ebenfalls als Leasingfahrzeug (Vertrag vom 22. März 2017)  übernommen. Verkehrsstrafen für den teuren Fuhrpark wurden aus der Vereinskasse bezahlt - also mit Steuergeld.

Insgesamt wurden Rechnungen in der Höhe von 2,7 Millionen Euro vom Verein Minibambini bar bezahlt.

Reaktionen

Die Grünen sprechen von einem "massiven Förderskandal" dieses "völlig undurchsichtigen Familienbetriebs" und fordern eine Rückzahlung der Fördermittel.

Die ÖVP spricht von einem "Totalversagen der Stadt" und fordert einen sofortigen Förderstopp, die FPÖ von einem "Fördermissbrauchskandal" und fordert "umfassende Konsequenzen".

Die Kritik der Opposition richtet sich auch konkret an die MA 10 (Kindergärten). Laut dem Grünen-Ausschussmitglied Martin Margulies ist es "unverständlich, dass die MA 10 hier nicht früher eingegriffen hat." Für Wiens FPÖ-Chef Dominik Nepp "ist es unfassbar, dass seitens der MA 10 Millionen an Fördermittel vergeben werden, aber es offensichtlich jahrelang niemandem auffällt, wenn mit diesem Geld laut Stadtrechnungshof Missbrauch betrieben wird."

Und laut ÖVP-Bildungssprecher Harald Zierfuß ist "einmal mehr klar, dass die Fördermittelkontrolle der Stadt Wien offenbar auch nach den Skandalen um die islamischen Kindergärten oder den Alt-Wien-Kindergärten nach wie vor nicht funktioniert."

Beide Parteien fordern auch die Sicherstellung der Kindergartenplätze sollte es zu einer Schließung der Standorte kommen.

Rückzahlung wird geprüft

Die Kindergartenbetreiberin war bisher auf KURIER-Anfrage nicht erreichbar. Die Stadt Wien prüft nun die Rückforderung von Fördermitteln und hat der Staatsanwaltschaft den Rechnungshofbericht übermittelt.

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