Sonja Wehsely: "Ärztekammer will den Krawall"
Wegen der Streichung von Nachtdiensten in den Gemeindespitälern bereitet die Ärztekammer Kampfmaßnahmen vor. Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely (SPÖ) will aber nicht klein beigeben.
KURIER: Frau Stadträtin, 93 Prozent der Ärzte in den Gemeindespitälern sind bereit für Kampfmaßnahmen. Wer ist für diesen massiven Unmut der Ärzte verantwortlich?
Sonja Wehsely:Wir haben vor einem Jahr mit der Ärztekammer ein Paket abgeschlossen. Es enthält eine deutliche Erhöhung der Gehälter der Ärzte und damit verbunden eine Veränderung der Lage der Arbeitszeit. Ziel ist es, ein Drittel der Nachtdienst-Stunden in den Tag zu verlegen. Wir tun das – und auch das wurde so vereinbart– um das gesamte Gesundheitssystem zukunftsfit zu machen. Durch die Maßnahmen, die derzeit umgesetzt werden, machen wir die Spitäler effizienter. Damit werden auch Ressourcen frei, um die Versorgung außerhalb der Krankenhäusern auszubauen.
Warum aber dann diese Empörung der Ärzte?
Das hängt ganz stark mit der Rolle der Wiener Ärztekammer zusammen. Sie macht sehr schlechte Stimmung unter den Ärzten. Sie will den politischen Krawall und den Eindruck vermitteln, dass von den Pakt nur ein Teil umgesetzt werden muss – nämlich die Gehaltserhöhung. Ich kann das nur unter Wahlkampfgetöse abtun, weil sachliche Argumente für ihr Vorgehen sind keine zu finden.
Glauben Sie wirklich, dass ein Kammer-Präsident, der um seine Wiederwahl im März kämpft, auf die Spitalsärzte einen so großen Einfluss ausüben kann, dass gleich 93 Prozent für Kampfmaßnahmen stimmen?
Das Ergebnis drückt natürlich aus, dass die Verunsicherung groß ist, wenn ein Jahrzehnte eingeübtes System verändert wird. Dafür habe ich auch volles Verständnis. Ich bin aber viel in den Spitälern unterwegs: In jenen Abteilungen, wo die Umstellung der Arbeitszeit bereits erfolgt ist, wird sie nach anfänglichen Diskussionen mittlerweile sehr positiv gesehen.
Der Krankenanstaltenverbund (KAV) hat in einer Reaktion auf das Abstimmungsergebnis angekündigt, die Kommunikation mit den Ärzten zu verbessern, um sie von den Vorteilen des neuen Systems zu überzeugen. Warum hat er das nicht schon in den vergangenen Monaten gemacht?
Das passiert seit einem Jahr ganz intensiv. Aber es gibt dieses bewusste, permanente Störfeuer von Ärztekammer-Funktionären, denen es nicht darum geht, dass es eine sachgerechte Lösung gibt. Das führt zu Verunsicherung und Verwirrung unter den Ärzten.
Nun will die Ärztekammer erste Kampfmaßnahmen beschließen. Was werden Sie den Ärzten anbieten, um doch noch einen Streik zu verhindern?
Der KAV hat den klaren Auftrag, sich genau daran zu halten, was vereinbart wurde. Das heißt: Jede einzelne Abteilung muss bei der Umsetzung der Maßnahmen ganz individuell angeschaut werden. Es soll hier nicht mit dem Rasenmäher drübergefahren, sondern jede Änderung der Nachtarbeit genau geprüft werden. Nur dort sollen Maßnahmen gesetzt werden, wo das auch geht. Deshalb dauert die Umsetzung auch so lange. An der Grundvereinbarung ist aber nicht zu rütteln.
Heißt das, Sie nehmen einen Streik in Kauf?
Ich gehe davon aus, dass der KAV den Pakt gemäß der Vereinbarung umsetzt. Wenn das der Fall ist, besteht keine Notwendigkeit für einen Streik. Ich kann nur an die Ärztekammer appellieren, dass sie ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht wird.
Die Kammer kritisiert auch, dass sich im Zuge der Umstrukturierung die Versorgung verschlechtert hat, sich etwa die Wartezeiten verlängert haben.
Natürlich haben wir Bereiche mit Wartezeiten. Nur der Zusammenhang, der hier gebildet wird, ist geradezu skurril. Wenn ich aus den Nachtstunden Arbeitsstunden wegnehme und sie in den Tag verlege, dann ist das eben genau eine Maßnahme, um Wartezeiten zu verkürzen. Umso unverständlicher ist es, dass das Gegenteil behauptet wird.
Themenwechsel: In Ihre Zuständigkeit fällt auch die Versorgung von Flüchtlingen. Minister Kurz forderte zuletzt verpflichtende Ein-Euro-Jobs für arbeitslose Asylberechtigte. Ist das für Sie vorstellbar?
Wichtiger ist, dass die Menschen vom ersten Tag ihres Verfahrens an Deutschkurse und Integrationsmaßnahmen erhalten, wenn die Aussicht auf Asyl positiv ist. Man muss aufpassen, dass wir hier nicht Lohndumping betreiben und im Niedriglohnbereich Arbeitsplätze vernichten. Sinnvoll wäre es, solche Vorschläge zu verschriftlichen und zu durchdenken. Stattdessen kommt jetzt jeden Tag eine Luftblase nach der anderen.
Es zeichnet sich keine Lösung für eine gerechtere Verteilung der Flüchtlinge ab. Wie wollen Sie verhindern, dass Wien weiter die finanzielle Hauptlast in der Betreuung trägt?
Auch hier geht es um ausreichende, flächendeckende Integrationsangebote ab dem ersten Tag im Asylverfahren. Wenn es diese Angebote nicht nur in den Großstädten gibt, ergibt sich daraus, dass der Zuzug geringer wird. Natürlich kostet das den Gemeinden und Ländern mehr Geld. Aber auch der Bund muss sich finanziell stärker beteiligen. Wenn es diese Integrationsangebote flächendeckend gibt, dann bin ich auch dafür, dass es eine Wohnsitzauflage gibt.
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