Israel-Debatte, Finanzen, Sicherheit: Die Misstöne vor dem Song Contest

69th Eurovision Song Contest - Grand Final
Im Mai 2026 soll in der Stadthalle das Wettsingen stattfinden. Es gibt aber heftige Vorwehen. Und es ist unklar, ob Wien und die europäischen TV-Anstalten die Kurve kriegen.

Das Gute-Laune-Event in Wien steht vor zahlreichen Herausforderungen:  Der Streit um Israel, die Kosten, die Sicherheit und mehr sorgen für Misstöne. Die Ausgangslage, die Streitpunkte und eine Einschätzung zu den einzenen Punkten.

Kosten: Gefangen zwischen Sparkurs und Planungsunsicherheit 

Ganz fix ist es wegen der Israel-Frage noch nicht, ob der Song Contest wirklich in Wien stattfinden wird. Das macht eine Planung natürlich schwierig. Beim Wien Tourismus hat man zwar versichert, ein „verlässlicher Partner“ zu sein und „voller Vorfreude“ in den Vorbereitungen zu stecken.

Da die Entscheidung aber nicht bei ihnen und auch nicht bei der Stadt selbst liegt, bleibt ein Restrisiko, dass nicht nur die Kreativität ins Leere läuft, sondern schon jetzt unnötige Kosten entstehen. 

Mehr zittern dürfte allerdings der ORF. Insgesamt soll der Song Contest heuer 40 Millionen Euro kosten, 22 Millionen davon würde Wien übernehmen. Aber natürlich nur, wenn der ESC auch tatsächlich in der Bundeshauptstadt stattfindet. Ansonsten müsste der ORF diese Kosten alleine tragen – es sei denn, der Bund springt ein, nachdem eine Absage als Veranstaltungsort im Falle des Falles eine rein politische wäre.

Das Bild zeigt die spektakuläre Bühne in Basel, mit Flamen und Lichtshow

Eine große (Bühnen-)Show kostet auch viel Geld. 

Das Geld müsste bei einer Austragung woanders zwar gezahlt werden, würde aber nicht der heimischen Wertschöpfung zugutekommen, ein Wert in Millionenhöhe. Jeder für den ESC ausgegebene Euro könnte eine gesamtwirtschaftliche Wertschöpfung in Höhe von 1,70 Euro auslösen, hieß es in einer Studie von Eco Austria im Auftrag des Wirtschaftsministeriums vor wenigen Wochen. Diese entstand vor der tatsächlichen Kostenschätzung und kalkulierte noch mit Ausgaben von 36 Millionen Euro. Eco Austria errechnete darum eine Wertschöpfung von 52 Millionen Euro. 

Die Freude über eine etwaige Absage bei den unmittelbar betroffenen Unternehmerinnen und Unternehmern – allen voran die Hoteliers – dürfte darum überschaubar sein.

Dem gegenüber steht der Frust von vielen, die wegen der Budgetprobleme von den Sparpaketen im Bund und in Wien selbst getroffen werden. Dabei zuzusehen, wie der Staat Geld für ein glitzerndes Spektakel ausgibt, während man selbst den Gürtel enger schnallen muss, ist nicht gerade förderlich für die Moral.

 Die Teilnahme Israels spaltet die Song-Contest-Länder  

Abseits der ewigen Nein-Sager („Brauchen wir nicht!“) hat der Song Contest eigentlich immenses Potenzial, vom Unbill der Welt abzulenken: Es kommen lustige Leute nach Wien, singen hier komische Songs und bekommen dafür in einem schwer zu durchschauenden System irgendwelche Punkte. Und man ist für ein paar Stunden auf vielfache  Art gut unterhalten. 

Vor dem ESC in Wien aber ist die Stimmung alles andere euphorisch: Die europäischen Fernsehsender streiten öffentlich über die Teilnahme Israels und drohen mit Boykott, sollte das Land teilnehmen (Niederlande) oder nicht (Deutschland) – was die Schrecken der Welt, die beim Song Contest eigentlich ausgeblendet werden sollten, ganz nah an das Event holt. Wien hat noch den Schreck der abgesagten Taylor-Swift-Konzerte im Nacken. Und die Sparzwänge im ganzen Land sind Wasser auf die Mühlen derjeniger, die den Song Contest – zu Unrecht – so und so für unnötig halten.

Eine Israel-Flagge neben einer Song-Contest-Fahne.

Eine Party unter politisch schwierigen Umständen. 

Die EBU, also jener TV-Anstalten-Verbund, der den Song Contest ausrichtet, hat die Hoffnungsstimmung im Gazakonflikt vergangene Woche genützt, um die Entscheidung rund um Israel zu vertagen: Es wird nun nicht schon im November darüber abgestimmt, ob das Land teilnehmen darf, sondern es soll vorerst abseits der Öffentlichkeit Gespräche der TV-Anstalten geben. Spanien, Slowenien, Irland, Island und die Niederlande hatten mehr oder weniger fixiert, bei einer Teilnahme Israels nicht in Wien dabei zu sein. 

Und zumindest die Niederlande haben sich bereits festgelegt, auch bei einem etwaigen Waffenstillstand oder Friedensschluss an diesem Entschluss nicht zu rütteln. „Das wird unsere Position für 2026 nicht ändern“, hieß es. 
Deutschland wiederum sagt, dass es ohne Israel nicht nach Wien kommt. Und auch für Wien selbst scheint ein Song Contest ohne Israel kaum durchzuziehen; nicht zuletzt Stimmen aus der ÖVP sind diesfalls dem Vernehmen nach für eine Absage. So steht zu erwarten, dass dieser Streit wie ein sehr, sehr schlechter Song-Contest-Song noch an Schrillheit gewinnen wird. 

Sicherheit in Zeiten wachsender Bedrohung

„Wien will nicht  Mannheim werden.“ So wurde kurz vor dem Song Contest in Wien im Jahr 2015 getitelt. Wenige Tage zuvor hatten 10.000 Zuschauer beim Finale der deutschen Fernsehshow Germanys next Topmodel den Saal dort verlassen müssen, weil eine anonyme Anruferin gedroht hatte,  eine Bombe in der Garderobe der Show abgestellt zu haben. 

Seither sind zehn Jahre vergangen und die Sicherheitslage in ganz Europa hat sich massiv verschärft. In Wien selbst musste man sich in dieser Zeit schon mit  mehr Gefahr – und leider  auch Gewalt  – auseinandersetzen.   Der Terroranschlag in der Innenstadt im November 2020 forderte vier Todesopfer. Vergangenes Jahr fielen die  Taylor-Swift-Konzerte aus, nachdem Anschlagspläne aufgedeckt und schließlich vereitelt wurden.

Muss deswegen ein Großevent mit  einem weltweiten Millionenpublikum abgesagt werden, das durch die hohe Aufmerksamkeit per se eine mögliche Zielscheibe ist? Nein. Vor  Terroristen, deren Ziel es ist, das westliche Leben lahmzulegen, darf man nicht kapitulieren. Schon gar nicht  Wien, dessen Bewohner mit Stolz ihre nach dem Terroranschlag entstandene „Schleich di, du Oaschloch“-Mentalität  vor sich hertragen. 

Die alleine wird trotzdem nicht reichen, um den ESC zu einem sicheren Fest für alle zu machen – und somit ist die Veranstaltung mit einigen Herausforderungen verbunden. Die Wiener Polizei hat darum schon bekannt gegeben,   den internationalen Austausch zu verstärken. Zudem würden spezielle operative und strategische Strukturen eingerichtet. 

Polizeiautos vor dem beleuchteten Rathaus.

Die Polizei wird während des ESC das Stadtbild prägen. 

In der Stadthalle, das wurde bereits angekündigt, wird  es Kontrollen wie am Flughafen geben. Die Gewerkschaft vida hat mehr Regeln für die private Security-Branche gefordert.  Eine verpflichtende Ausbildung sowie einheitliche Ausweise sind bisher nicht vorgeschrieben. Auch mangelnde Überprüfbarkeit von Technikern und Caterern sind ein Sicherheitsproblem. Es gibt also noch viel Arbeit für die Verantwortlichen. 

2015 präsentierte sich die Stadt neu – das geht nicht noch einmal 

1966 ist von 2015 weiter entfernt als 2025. Was wie eine Plattitüde klingt, ist eine gar nicht so kleine Herausforderung vor allem für die Stadt Wien bei der Ausrichtung des Song Contests. Denn 2015, nachdem Conchita uns „den Schas gewonnen“ hatte, konnte die Stadt aus dem bisher ungenutzten Vollen dessen schöpfen, was man sich rund um den Song Contest so einfallen lassen konnte und was seit 1966, als Udo Jürgens siegte, liegen blieb: Man positionierte sich klar als weltoffene, queerfreundliche, gegen jedes sonstige Image auch noch gut gelaunte Stadt und inszenierte so etwas wie eine bunte und sehr achtsame Fußball-EM-Stimmung mit verspielten Stadtbild-Elementen. 

Ampel mit gleichgeschlechtlichen Pärchen.

Das hatte Wien noch nicht  gesehen: Ampel, mal anders.

Wie etwa die Ampelpärchen, die weltweit für Furore sorgten. Das Resultat war, nach dem üblichen anfänglichen Gesudere, eine zeitgerechte, punktgenaue und nachhallende Neusetzung dessen, was die sonst zum überwiegendsten Teil von der Vergangenheit zehrende Tourismusstadt heute alles darstellen kann.

Auch wenn das im Fernsehen durchaus so üblich ist: 2026 nun kann man nicht einfach eine Wiederholung von 2015 schalten. Ampelpärchen, Regenbogenstraßenbemalungen und Co. würden nächstes Jahr eher nostalgische als innovative Vibes  abgeben – auch, weil sich die Debatte gegenüber Minderheiten inzwischen ordentlich nachvergiftet hat.  Derart große Veranstaltungen mit internationalem Flair sind auch hervorragendes Material für die Medienkanäle jener politischen Bewegungen, die das Land am liebsten zusperren oder wenn, dann die Tür nur nach Ungarn offenlassen würden. 

So steht zu erwarten, dass die entspannte Stimmung von vor einem Jahrzehnt nächstes Jahr von kommunikativen Misstönen begleitet wird, die es 2015 in der Form noch nicht gab. Denn inzwischen wird auch das Unernsteste da Ernst genommen, wo es politisches Kleingeld abwirft. Ein Phänomen, das man in Basel und Malmö bei den letzten ESCs auch schon beobachten konnte: Missmut ist billig zu haben, gute Laune schwer zu vermitteln.

Kommentare