Null Punkte für Wien? Keine Lösung für Song Contest in Sicht

Bleiben die Plätze in der Stadthalle leer?
Dass im November nicht über die Teilnahme Israels am Song Contest abgestimmt wird, ist Indiz dafür: Der ESC in Wien wackelt bedenklich.
Georg Leyrer

Georg Leyrer

Jahr für Jahr sind viele beim Song Contest vor allem froh, wenn er vorbei ist. Wien kann 2026 froh sein, wenn er überhaupt beginnt.

Anders als bei vielen Song-Contest-Songs lohnt es sich, beim Streit um die Teilnahme Israels in Wien genauer hinzuhören. Dann erkennt man nämlich, dass die Verschiebung der Abstimmung unter den Fernsehsendern ja keineswegs ein Entlastungssignal in diesem Streit ist. Im Gegenteil: Die European Broadcasting Union (EBU) versucht nun Schadensbegrenzung. Es steht zu befürchten: vergeblich.

Zahlreiche Länder, darunter die wichtigen Song-Contest-Player Spanien und Portugal, wollen fernbleiben, wenn Israel teilnimmt. Deutschland und Österreich sind sich, zum Glück, bewusst, dass ein Song Contest in Wien ohne Israel undenkbar ist. Dass man erklären muss, warum, zeigt, wie rasant nun auch hierzulande auf Vergessen gesetzt wird, wo es opportun ist.

Die EBU sagt selbst, dass man noch nie vor so einer gespaltenen Situation gestanden ist. Da ist man schnell überfordert. Der Veranstalter hat daher nun das Falschestmögliche gemacht und voreilig, da hat die Wiener Finanzstadträtin Recht, eine Abstimmung anberaumt. Ab diesem Moment waren die Positionen eingefroren. Denn wenn man wie Spanien und Portugal einen Genozid Israels im Gazastreifen sieht: Wie sollte sich dieses Urteil ernsthaft ändern, wenn man jetzt noch ein paar Monate oder Wochen zuwartet? Wer sollte dann sagen: Ach, egal, wir singen doch mit, nachdem derart große Moralkulissen aufgebaut wurden? 

Wenn Spanien und Portugal oder, falls Israel ausgeschlossen wird, Deutschland fernbleiben, hat der Song Contest viele, vor allem auch praktische Probleme: Wer steht dann noch hinter dem Bewerb? Ein ESC ohne Westeuropa oder mit einem zähneknirschenden Österreich würde die Zukunft fraglich machen.

Und damit übrigens auch, wofür man dann in Wien viele, viele Millionen ausgeben soll, wenn Streit und Störungen das Event bestimmen. Das Hin- und Hergeschiebe des Schwarzen Peters (oder der nunmehr politisch korrekten Benennung dieses Kartenspiels) hat bereits begonnen. Wien ist ein „verlässlicher Partner“, wurde am Montag ein wenig gar oft betont. Das tut man meist,wenn man das Gefühl hat, dass es das Gegenüber nicht (mehr) ist.

Im ORF wird 2026 der Chef neu gewählt, das ist selten der günstigste Moment, Zentrum eines Riesenstreits zu sein. Die millionenschwere Pönale-Zahlung bei Absage ist da noch das geringste Problem, das würde sich lösen lassen. Aber Wien kann sich viele weitere Monate Unsicherheit nicht leisten. Nur genau das tritt jetzt ein. Die kommenden Wochen spielen alle Song-Contest-Mikado: Wer sich zuerst bewegt, hat verloren. Am Ende wahrscheinlich alle.

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