17-Jähriger soll Obdachlosen-Serienmörder sein: Details zum Motiv

Obdachlosenmord im Juli: Polizisten im Einsatz
Die Polizei gab in einer Pressekonferenz am Vormittag Details zu dem Fall bekannt. Zum ersten Mal polizeilich auffällig geworden sein soll der junge Mann im September.
  • Serientäter attackierte drei Obdachlose, zwei starben
  • Der Verdächtige und sein Geständnis
  • Live-Stream der Pressekonferenz
  • Die ersten Ermittlungsergebnisse 
  • Die Chronologie der Taten

Seit dem 12. Juli ging in Wiens Obdachlosenszene die Angst um. An diesem Tag war ein 56-jähriger wohnungsloser Mann am Handelskai mit sechs Messerstichen getötet worden. Zehn Tage später wurde eine 51 Jahre alte Frau am Praterstern während des Schlafens angegriffen, sie überlebte knapp.

Am 9. August kam es zur dritten Tat. Ein 55-Jähriger wachte blutüberströmt mit Schnitt- und Stichverletzungen am Hernalser Gürtel auf. Eine Notoperation konnte sein Leben letztendlich nicht retten. 

Der Verdächtige und das Geständnis

Nun scheint es, als sei der Fall gelöst. Wie die Krone berichtet, soll sich ein 17-Jähriger am Montagabend in Begleitung seines Anwalts bei der Polizei gestellt und die Taten zugegeben haben. 

Laut ersten Informationen des KURIER war der Verdächtige bisher nicht amtsbekannt. Zum ersten Mal soll er im September 2023 wegen Drogendelikten polizeilich aufgefallen sein. Laut Polizei hat der Mann, der aus zerrütteten Familienverhältnissen kommt, ein umfassendes Geständnis abgelegt.

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Seine private Situation mit einer zerrütteten Familie und seiner Drogenabhängigkeit soll den 17 Jahre alten Österreicher dazu gebracht haben, zum Serientäter zu werden. Der junge Mann soll seine Opfer nach drei Kriterien ausgesucht haben. Sie waren alle "leicht verfügbar", der Verdächtige war ungestört und seine Opfer waren wehrlos. Er fuhr mit den Öffis zu den Tatorten und vergewisserte sich schon vorher, dass er von keiner Überwachungskamera gefilmt wird. Dann attackierte er die Obdachlosen mit mehreren Messerstichen. 

Der junge Mann, der in einer Krisenunterkunft für Jugendliche untergekommen war, versteckte die Tatwaffe im Haus seines Vaters im Weinviertel in Niederösterreich zwischen den Polstern eines Sofas. Bei der Hausdurchsuchung konnte die Waffe sichergestellt werden, er dürfte es im Internet bestellt haben.  

Zum ersten Mal polizeilich auffällig geworden ist der junge Mann im September, als er seine Mutter attackiert und verletzt hatte. Danach dürfte er in das Krisenzentrum gekommen sein. Laut Polizei konsumierte er regelmäßig Kokain und Heroin. 

Der Strafverteidiger des jungen Mannes sagt dem KURIER, dass er sich bei der Einvernahme kooperativ zeigte: "Er hat den Ermittlern alle Einzelheiten geschildert und versichert, dass er sein Leben neu ordnen möchte."

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Dass die Attacken im Herbst plötzlich endeten liegt daran, dass der 17-Jährige eine Freundin gefunden haben soll. Das soll eine Wut und innere Unruhe beruhigt haben und das sei auch der Grund, warum er sich nun gestellt hat, wie die Polizei angab. 

17-Jähriger soll Obdachlosen-Serienmörder sein: Details zum Motiv

Strafverteidiger Manfred Arbacher-Stöger vertritt den Verdächtigen

Er hat den Ermittlern alle Einzelheiten geschildert und versichert, dass er sein Leben neu ordnen möchte.

von Manfred Arbacher-Stöger

Strafverteidiger

Für die Polizei stand nach der 3. Tat schon länger fest, dass man es mit einem Serientäter zu tun hat. "Die Verletzungsmuster der Opfer deuten darauf hin, dass es derselbe Täter gewesen sein dürfte", sagte Polizeisprecherin Barbara Gass dem KURIER nach der 3. Tat. 

Video könnte Täter unter Druck gesetzt haben

Im Oktober veröffentlichte die Polizei ein Video und ein Foto, die einen Mann zeigen, der verdächtig sein könnte bzw. als wichtiger Zeuge galt. Er wurde im Bereich Hernalser Gürtel am 09. August gegen 1.30 Uhr Uhr aufgenommen, kurz nach der 3. Bluttat. Nach der Veröffentlichung des Videomaterials gingen Dutzende Hinweise ein, die aber alle zu keiner heißen Spur führten. Ob der 17-jährige Verdächtige vielleicht aufgrund des Videos Druck verspürte, sich zu stellen, ist unklar. 

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Die ersten Ermittlungsergebnisse

Besonders auffällig war, dass die Opfer von der Tat nichts mitbekommen haben dürften. Die Frau, die überlebte, konnte trotz ihrer schweren Verletzungen keine Angaben zum Täter machen, weil sie im Schlaf attackiert worden war. Der 55-Jährige, der erst Tage später im Spital gestorben war, konnte ebenfalls keine Angaben mehr machen. 

Seit der letzten Bluttat erhöhten die Ermittler ihre Präsenz in der Umgebung von Obdachlosenunterkünften und Treffpunkten der Szene. Die Polizei hatte außerdem 10.000 Euro Belohnung für Hinweise zu der Angriffsserie auf Obdachlose in Wien ausgelobt. 

Das Motiv für die Taten ist weiterhin rätselhaft. Ebenso, ob es sich um einen Einzeltäter handelt. Das sollen jetzt die Einvernahmen mit dem 17-Jährigen klären.  

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Laut Statistik Austria waren 2021 in Österreich knapp 20.000 Menschen als obdachlos oder wohnungslos registriert, 60 Prozent davon in Wien. Die Schätzung der Anzahl von Menschen, die tatsächlich obdachlos sind, ist schwierig, da es einen unbekannten Anteil an nicht registrierten Personen gibt. Man geht aber in Wien in etwa von 1.500 Personen aus.

Ein großes Problem bei dieser Gruppe ist die Erreichbarkeit: Zwar wissen die Streetworker über die Aufenthaltsorte vieler Klienten und Klientinnen bescheid, aber nicht von allen - zudem haben die meisten auch keinen Zugang zu Medien und wissen demnach vielleicht gar nichts von den Attacken. Die Caritas bat daher die Bevölkerung, „mit offenen Augen durch die Stadt zu gehen“ und Obdachlose bei der Gruft der Caritas zu melden, damit Streetworker Kontakt aufnehmen können.

Die Chronologie der Taten

  • Am 12. Juli um 7.40 Uhr wird am Handelskai in der Brigittenau ein 56-jähriger Mann mit sechs tödlichen Stich- und Schnittverletzungen aufgefunden. Eine Passantin entdeckt die Leiche auf einer Parkbank. Eine Blutlache, die rund 350 Meter entfernt vom Tatort gefunden wird, zeigt, dass das Opfer sich nach der Tat selbst zur Parkbank geschleppt hat, oder vom Täter dort abgelegt wurde. Von der Tatwaffe fehlt jede Spur. 
  • Zehn Tage später, am 22. Juli, wird eine 51-jährige Frau gegen 3.40 Uhr am Praterstern unter starken Schmerzen wach. Sie bemerkt, dass sie stark blutet und alarmiert Zeugen, die die Rettung verständigen. Das rettet der Frau das Leben. Weil sie während der Tat geschlafen hat, kann sie keine Hinweise auf den Täter geben. 
  • Am 9. August wird ein 55-jähriger Obdachloser blutüberströmt an Hernalser Gürtel wach. Auch er hat nichts von einer Attacke mitbekommen. Zwar wird auch er schnell von den Rettungskräften versorgt, der Mann stirbt aber wenige Tage später im Krankenhaus.

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