Ein Toter, zwei Schwerverletzte
Ein Mann verlor am 12. Juli nach einem Angriff in der Brigittenau sein Leben. Der 56-jährige Obdachlose war am Handelskai durch sechs Stiche mit einem spitzen Gegenstand getötet worden. Eine Blutlache zeigte den Ermittlern den Tatort, der 350 Meter entfernt vom Fundort, einer Parkbank, lag. Entweder hatte sich der Mann schwer verletzt noch selbst dorthin geschleppt, oder der Täter hat sein Opfer auf der Parkbank abgelegt. Vom Angreifer oder einer Tatwaffe fehlt bis heute jede Spur.
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„Ich habe natürlich davon gehört“, sagt Robert K., der die Nacht nahe der Neubaugasse verbracht hat. „Mir ist vor Kurzem etwas Ähnliches passiert“, sagt er und zeigt auf seinen dick einbandagierten Fuß. „Ich habe beim Bahnhof Meidling geschlafen und wurde von jemandem so fest ans Bein getreten, dass ich immer noch starke Schmerzen habe. Es wird immer schlimmer“, erzählt er dem KURIER. Dass es nach dem Mord schon zwei weitere blutige Attacken auf Obdachlose in Wien gegeben hat, die ähnlich wie er, im Schlaf angegriffen wurden, wusste Robert K. noch nicht.
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Zehn Tage nach dem Mord am Handelskai wurde eine 51-jährige Obdachlose in der Nähe des Pratersterns durch große Schmerzen aus dem Schlaf gerissen. Auch sie hatte mehrere Stich- und Schnittverletzungen erlitten. Nur die schnelle Versorgung durch die Rettungskräfte konnte das Leben der Frau retten. Wer sie angegriffen hat, weiß sie nicht. Als sie aufwachte, war der Täter bereits geflüchtet. Auch in diesem Fall fehlt die Tatwaffe.
Zur dritten Attacke kam es schließlich in der Nacht auf Mittwoch, als ein 55-Jähriger am Hernalser Gürtel angegriffen wurde. Auch er dürfte geschlafen haben. Sein Gesundheitszustand ist laut Polizei schlecht, er konnte noch nicht einvernommen werden. Dass es sich um einen Serientäter handeln könnte, beweisen laut Polizei die sehr ähnlichen Verletzungsmuster in allen drei Fällen.
„Allein ist es zu gefährlich“
Allein die Nacht zu verbringen, ist offenbar gefährlich. „Wir schlafen nur noch in der Gruppe. Da ist immer einer munter und wir können aufeinander aufpassen“, sagt Andreas R. Er und einige Mitglieder aus seiner Gruppe erzählen, dass sie vor wenigen Wochen beobachtet hätten, wie ein junger Mann vor einem Supermarkt auf der Mariahilfer Straße auf einen schlafenden Obdachlosen eingestochen hat. „Wir kennen so etwas. Der Mann war einfach aggressiv und hat es an uns ausgelassen. Da sind wir leider ein einfaches Ziel“, sagt R.
Erst Ende Juli standen in Graz drei Burschen vor Gericht, die eine obdachlose Frau mit Tritten und Faustschlägen über mehrere Tage hinweg gequält und ihre Tat gefilmt hatten. „Er hat gesagt, das habe ihm gutgetan und die anderen wollten das Gefühl auch haben“, sagte die Staatsanwältin im Prozess. Ob die Frau stirbt, sei ihnen egal gewesen. Das Urteil steht noch aus.
Dass gerade Frauen ohne Unterkunft gefährdet sind, bestätigt auch Andras’s H., der mit seiner Frau und einem Hund auf der Straße lebt. „Ich schlafe immer außen, Richtung Straße, und beschütze meine Frau. Sie wurde schon oft angepöbelt, zum Glück war ich immer schnell bei ihr.“
„Werden wieder vergessen“
Die Polizei hat am Donnerstag versichert, die Streifentätigkeit an Orten, wo viele Obdachlose zusammenkommen, zu verstärken. „Es ist schon gut, dass jetzt auf uns geschaut und darüber berichtet wird, und darum erzähle ich auch gerne. Aber das ist jetzt in der Zeitung und die Polizei passt auf uns auf und nach einer Zeit vergessen uns doch wieder alle“, sagt Andreas R.
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