Schulen: Auch im Herbst droht noch Schichtbetrieb
Alle warten auf den Herbst als Heilsbringer. Ob der die ersehnte Normalität tatsächlich zurückbringt, ist aber unklar. Vor allem die vollständige Öffnung der Schulen dürfte in Gefahr sein.
Zu diesem Schluss kommen die Experten der „COVID-19 Future Operations Plattform“. Die Wissenschafter stellen der Bundesregierung seit Anfang der Pandemie wissenschaftliche Erkenntnisse zur Verfügung, um diese bei der Entscheidungsfindung zu unterstützen.
In einer Untersuchung kommen sie zu der Erkenntnis, dass eine Rückkehr aller Schüler im Herbst die Pandemie neu befeuern könnte. Damit wäre der Präsenzunterricht auch im September nur eingeschränkt möglich.
Virus könnte weiter grassieren
Der Grund: Da Impfstoffe für Kinder da voraussichtlich noch nicht zugelassen sein werden, würde das Virus dort weiter grassieren und weitere Mutationen bilden.
„Das Virus hält sich in der Gesellschaft, und manche Varianten können die Immunität austricksen“, erklärt Michael Wagner, Mikrobiologe an der Universität Wien, im Gespräch mit dem KURIER. „Das Virus entwickelt sich weiter, darum müssen auch wir uns weiter entwickeln.“
Lösungs-Konzept
Soweit die schlechte Nachricht. Die Gute: Das Expertenteam – bestehend aus Psychologen, Epidemiologen, Logistikern und Mathematikern – hat ein Konzept vorgelegt, um die vollständige Öffnung doch zu ermöglichen. Die Lösung seien PCR-Tests mehrmals die Woche, angelehnt an das „Alles gurgelt“-Projekt, das in Wien derzeit erprobt wird.
Zwei bis drei Mal pro Woche soll dabei zu Hause der Test durchgeführt werden. Mit weitreichenden Folgen: Der Schichtbetrieb könnte abschafft werden, Sportunterricht im Freien wäre wieder möglich. Zudem müssten Kinder und Lehrende nicht mehr in Quarantäne, selbst wenn ein Kind in der Klasse Corona-positiv ist.
Antigentests an Schulen waren ein erster guter Schritt. Jetzt muss aber ein PCR-Schutzschirm aufgespannt werden.
Warum PCR-Tests schaffen sollen, was die derzeitigen Nasenbohrer-Tests nicht vermögen, hat Mikrobiologe Wagner ebenfalls untersucht. Ein Viertel bis ein Fünftel der infizierten Kinder würde bei den Nasenbohrertests nicht gefunden, sagt er. PCR-Tests seien viel genauer. Sobald die betroffenen Kinder infektiös seien, läge die Quote sogar bei nahezu 100 Prozent.
PCR-Schutzschirm
„Die Antigentests waren ein guter erster Schritt“, so Wagner. Der nächste sei aber, die Schulen unter einen PCR-Schutzschirm zu stellen.
Dass das an Schulen und mit Kindern auch tatsächlich funktioniert, sollen Pilotphasen an Wiener Schulen zeigen. Die Gymnasien in der Kundmanngasse im 3. Bezirk und dem Wiedner Gymnasium im 4. Bezirk sind bereits an Bord und werden Mitte April mit dem Gurgeln starten.
Familienroutine wie Zähneputzen
Montag, Mittwoch und Freitag wird gegurgelt, die Tests werden dabei der ganzen Familie zur Verfügung gestellt. Das Gurgeln soll so „zu einer Familienroutine wie das tägliche Zähneputzen“ werden, wie es in der Elterninformation an die Eltern heißt, die von der Kundmanngasse verschickt wurde.
Euphorie in Pflichtschulen
Die Schule hat eine eigene Mailadresse eingerichtet, damit etwaige Sorgen frühzeitig ausgeräumt werden können. Ein paar Fragen kamen, aber die Stimmung sei unglaublich positiv, sagt Direktorin Marion Waldmann. „Die Reaktionen waren um ein Vielfaches euphorischer als wir gedacht haben“, sagt sie.
Kinder und Eltern wollen fast geschlossen beim Projekt mitmachen. Das ist ein Zeichen, wie sehr der Schuh drückt.
Das sei für das Projekt positiv, gesellschaftspolitisch aber eine eindeutige Aussage. „Wenn Eltern und Kinder geschlossen so einen Aufwand mitmachen wollen, ist das schon ein klares Zeichen, wie sehr der Schuh drückt.“
Die leise Hoffnung darauf, wieder vollständig in den Präsenzunterricht zurückzudürfen, reiche als Motivation aus. Wobei die Hoffnung gar nicht so leise sein muss: Mündlich habe das Bildungsministerium schon in Aussicht gestellt, dass bei einem guten Start des Projekts die Pilotschulen schon in wenigen Wochen wieder ganz öffnen dürfen.
Skepsis im Bildungsministerium
Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) steht flächendeckenden Tests noch skeptisch gegenüber, wie er in einer Pressekonferenz sagte. Besonders die Logistik sei herausfordernd.
„Logistisch ist das alles machbar“, sagt hingegen Logistik-Professorin Margaretha Gansterer an der Uni Klagenfurt. Aufgrund der Expertise des „Alles gurgelt“-Projekts, bei dem Gansterer beratend mitwirkt, könnte man in Wien bereits im Sommersemester eine Ausrollung starten.
In den anderen Bundesländern sei ein Start im Wintersemester möglich – aber nur, „wenn man spätestens Anfang Mai startet, die Test- und Laborkapazitäten auszubauen.“
Kommentare