Ruhephase der Ziesel hat bald ein Ende

Ruhephase der Ziesel hat bald ein Ende
Biologin Ilse Hoffmann zählt Ziesel beim Stammersdorfer Heeresspital. Sobald die Tiere erwacht sind, rollen die Bagger an.

„Ich liebe Ziesel“, verkündete Wiens Bürgermeister Michael Häupl im Rahmen der SPÖ-Klubtagung am Donnerstag. Und: „Ja, wir brauchen Artenschutz – für tatsächlich gefährdete Tiere.“ Als solche erachtet der studierte Biologe die mindestens 180 Ziesel beim Stammersdorfer Heeresspital offenbar nicht. Denn dort wolle man bauen – und es könne nicht sein, „dass wir Ziesel mehr schützen als Menschen“.

Das hört Ilse Hoffmann – ebenfalls Biologin – in letzter Zeit öfters. Aus den Reihen der Politik und seitens der verhinderten Bauträger sowieso. Wie berichtet, wollen Kabelwerk und Donaucity auf dem Gelände nördlich des Stammersdorfer Heeresspital rund 950 Wohnungen errichten. Das können sie aber erst, wenn die Mehrheit der streng geschützten Ziesel das Projektareal verlassen hat. Hoffmanns Aufgabe ist, festzustellen, ob die „sanfte Umlenkung“ greift. Sie zählt jährlich die Tiere und eruiert, ob die Population kleiner wird. Gleich vorweg: Nein – die Anzahl ist seit 2011 konstant geblieben.

Ruhephase der Ziesel hat bald ein Ende
Ziesel Stammersdorfer Heeresspital Hoffmann
Allerdings sei eine Verlagerung nach Osten feststellbar. Der westliche Teil des Areals sei tatsächlich bereits Ziesel-frei – weshalb dortdie Bagger auffahrenwerden, sobald die Nager Anfang bis Mitte April ihren Winterschlaf beendet haben. Um deren Wiederansiedlung zu verhindern, wird die Grasnarbe abgetragen. Denn ist die erst einmal weg, finden die Tiere nichts mehr zu fressen.

Freude hat Hoffmann mit derlei Maßnahmen zwar keine. Da kein Zieselbau beschädigt werde, seien sie den Bauträgern aber auch nicht zu verübeln. „Man muss Zugeständnisse machen“, sagt die Biologin.

Jährliche Zählung

Für die Markierung der Zieselbaue verwendet Hoffmann ein GPS-Gerät. Pro Bau zählt sie ein Tier. Im vergangenen Sommer konnte sie auf der Projektfläche 270 Stück nachweisen. So viele werden es im Frühjahr wohl nicht mehr sein, weil nicht alle Ziesel den Winterschlaf überleben. Hoffmann schätzt, dass zirka 180 überbleiben werden – wie immer um diese Zeit, seit sie die Bauaufsicht übernommen hat.

Die Biologin kartiert auch die Ausgleichsflächen. Und weiß daher, dass dort weit weniger Baue zu finden sind, als auf dem Baugrund. „Als es hier 270 waren, waren es drüben maximal 61. Und davon waren nur 25 mit Sicherheit von Zieseln oder Hamstern. Der Rest könnte auch von Wühlmäusen oder Zauneidechsen stammen“, erklärt Hoffmann.

Die von Zieseln bzw. Hamstern besiedelte Fläche betrage zurzeit 4,35 Hektar. Und auf diese „Mindestgröße der besiedelten Fläche“ pocht die Biologin auch. Zwar dürfe eine Verlagerung auf die Ausgleichsflächen stattfinden, doch kleiner dürfe das Ausbreitungsgebiet der Nager nicht werden.
Was passiert, wenn die Ziesel den Rest der Projektfläche nicht auch noch räumen, kann Hoffmann nicht beantworten: „Das muss dann die MA22 (die Umweltschutzabteilung; Anm.) entscheiden.“ Und dort wiederholt man gebetsmühlenartig, dass keiner Bautätigkeit zugestimmt werde, solange die Ziesel da sind.

„Vorsichtige Behörde“

Dennoch: Uneingeschränkt vertraut die Biologin der Behörde nicht – dort sei man den Zwängen von Stadtplanung und Naturschutz ausgesetzt und agiere deshalb „übervorsichtig“.

Und auch etwas schönfärberisch – wie zuletzt, als man einen Rekordbestand von 9500 Zieseln auf Wiener Stadtgebiet verkündete. „Das ist weder viel, noch wenig“, sagt Hoffmann. „So viele könnte es früher auch gegeben haben, aber da waren die Zählmethoden nicht so genau. Statt flächendeckender Kartierungen kamen Hochrechnungen zum Einsatz.“

„Die Umweltschutzabteilung scheint solche Meldungen zu verbreiten, um die Problematik beim Stammersdorfer Heeresspital abzuschwächen“, mutmaßt die Ziesel-Expertin.

Seitens der Behörde will man die Kritik naturgemäß nicht auf sich sitzen lassen. „Natürlich werden Kartierungen mit der Zeit genauer. Aber wir müssen nichts schönfärben: Die 9500 Ziesel sind ein Faktum“, kontert Abteilungsleiterin Karin Büchl-Krammerstätter. Und man benötige auch keine Imagepflege: „Es gelten ganz klare Rechtsgrundlagen. Alle Bescheide basieren auf Fachgutachten.“

Bei den Kritikern des geplanten Bauprojekts liegen die Nerven blank. Überhaupt, seit die MA22 Vorarbeiten auf dem westlichen Teil des Areals bewilligte. Seither scheint die Ziesel-Lobby täglich mit dem Auffahren der Baumaschinen zu rechnen. Dementsprechend groß war vor Kurzem die Aufregung, als tatsächlich auf dem Gelände gearbeitet wurde. Es war allerdings kein Bagger, der da ans Werk ging, sondern ein Traktor. Biologin Ilse Hoffmann appelliert daher: „Keine Hysterie, bitte.“

Es habe sich nämlich schlicht um Pflegemaßnahmen auf dem Gelände des Heeresspitals gehandelt. Ein Zaun wurde entfernt und ein Teil des Geländes entbuscht. Und zwar rechtzeitig vor Beginn der Vogelbrutzeit Mitte März. „Wegen der Verbuschung leben dort sowieso keine Ziesel“, versucht Hoffmann zu beruhigen.

Einen offiziellen Startschuss für die Baggerungen gibt es indes noch nicht. Man wisse es noch nicht, heißt es bei der PR-Agentur des Bauträgers. „Anfang April“ werde es aber eine Informationsveranstaltung für Journalisten geben.

Fix ist: die Grasnarbe und in weiterer Folge der Oberboden können erst nach Ende des Ziesel’schen Winterschlafs abgetragen werden. Mitte April dürften alle Tiere aufgewacht sein. Seitens der Bauträger rechnet man mit einem Baubeginn 2016.

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