Ruck: "Der Weg der ÖVP Wien wird kein Ziel erreichen"
Walter Ruck, stets freundlich und konziliant im Ton, ist ein Anhänger des politischen Konsenses. Mit der Wiener SPÖ, mit der Ruck als schwarzer Präsident der Wiener Wirtschaftskammer ein gutes Auslangen findet, ist das geübte Praxis – mit der eigenen Partei und dem Bund gelingt das oft weniger gut.
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Was passiert, wenn man Ruck verärgert, haben sowohl eigene Landesparteichefs als auch Minister erlebt. Die grüne Verkehrsministerin Leonore Gewessler, gegen die Ruck rund um den Lobautunnel zu Felde zog, kann davon ebenso ein Lied singen wie der türkise Finanzminister Magnus Brunner.
Weil Hilfsgelder nicht ausbezahlt wurden, stellt Ruck nun fünf Millionen Euro auf, mit denen er Musterklagen von Unternehmern gegen die Cofag – die Covid-19-Finanzierungsagentur des Bundes – unterstützt.
KURIER: Den eigenen Finanzminister und Parteifreund zu klagen, das ist aber nicht die feine Art
Walter Ruck: Ich schätze Magnus Brunner als Person. Aber ich bin in mein Amt gewählt, um auf den Wirtschaftsstandort aufzupassen und Unternehmen beizustehen. In diesem Fall haben Firmen völlig korrekte Anträge auf Hilfen gestellt und bisher kein Geld erhalten. Der Bund wusste im November 2022, dass es bei der Auszahlung ein Problem geben kann. Ich habe den Finanzminister damals gebeten, mit den Betroffenen zu sprechen und ihnen zu erklären, wie man es lösen kann. Wenn er sich, so wie es passiert ist, bis Juli 2023 keine Lösung einfallen lässt, dann ziehen wir die Schrauben an.
Sie sind selbst Baumeister. Mit Blick auf die vielen Probleme bei großen Infrastrukturvorhaben – etwa Kostenüberschreitungen und Verzögerungen bei der neuen Eventarena und beim Fernbusterminal, um nur zwei zu nennen: Kann die Stadt keine Großprojekte?
Jetzt antwortet der Baumeister, nicht der Wirtschaftskammer-Präsident. Als solcher bin ich sehr vorsichtig in der Beurteilung von Projekten, die ich nicht im Detail kenne. Ich bin aber schon ein bisschen ein älterer Baumeister – und daher kann ich aus Erfahrung sagen, dass es nie klug ist, vor Projektbeginn zu detaillierte Zahlen zu nennen. Ich würde mir das immer drei Mal überlegen und fünf Mal nachrechnen, bevor ich an die Öffentlichkeit gehe.
Es ist also ein Fehler, dass die Politik gerne möglichst niedrige Kosten nennt, die sie dann nicht einhalten kann?
Es bietet Raum für Missverständnisse. Was versteht man unter Baukosten? Den Rohbau? Oder – salopp gesagt – die fertige Hütte? Das hätte ich aus Sicht eines Baumeisters anders gemacht.
Heftig umstritten ist das Heumarkt-Projekt, das seit Jahren den Welterbe-Status der historischen Innenstadt bedroht. Braucht Wien aus Sicht der Wirtschaft das Weltkulturerbe?
Ich will hier nicht werten, sondern etwas Sachliches liefern: Wenn wir Touristen befragen, warum sie nach Wien kommen, dann ist die Tatsache, dass die Stadt Weltkulturerbe ist, von stark untergeordneter Bedeutung. Klar ist für mich zudem, dass die Stadt, wenn sie mit einem Privaten etwas paktiert, das auch einzuhalten hat.
Dass der Private, in diesem Fall ist das der Immobilienentwickler Michael Tojner, nach all den Verzögerungen immer noch zu dem Bauprojekt steht, ist ja fast verwunderlich.
Ich bin nicht der Anwalt des Herrn Tojner. Aber Rechtssicherheit für Unternehmer ist essenziell für unseren Wirtschaftsstandort.
Stadtrat Peter Hanke meinte zuletzt, dass der Verlust des Weltkulturerbes für Wien „kein Beinbruch“ wäre.
Ich würde diese Aussage nicht zwingend als fehlerhaft bezeichnen.
Der Rechnungshof hat vernichtende Kritik an den Corona-Tests, konkret an „Alles gurgelt“, geübt. Er hat sie als „kostenintensiv“, aber von zweifelhaftem Nutzen bezeichnet. Sie waren maßgeblich an der Aktion beteiligt. Würden Sie „Alles gurgelt“ aus heutiger Sicht anders aufsetzen
Nein. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch, ich will den Rechnungshof nicht kritisieren. Aber mich würde die Meinung von Medizinern zu „Alles gurgelt“ mehr interessieren als die von Betriebswirten. Schuster, bleib bei deinen Leisten!
Dass das Projekt sehr teuer war, ist evident.
Es hat uns aber auch Sicherheit gegeben. Unternehmer und Familien wussten, dass sie sich, wenn sie getestete Menschen treffen, nicht in Gefahr bringen. Und das hatte auch positive volkswirtschaftliche Folgen. Wien hatte als einziges Bundesland ein funktionierendes Testregime. Wir sind wirtschaftlich deutlich besser durch die Krise gekommen als Österreich in seiner Gesamtheit. Wir hatten beim Bruttoregionalprodukt niedrigere Rückgänge als die anderen – und zwar um einen Prozentpunkt, das entspricht einer Milliarde Euro. 2022 sind wir wieder stärker gewachsen als alle anderen. Demjenigen, der das in dieser Situation – ohne Blaupause – besser gemacht hätte, dem würde ich sagen: "Chapeau".
War das Credo "Koste es, was es wolle" falsch?
Es war ein emotionaler Fallschirm. Dazwischen hat man es vielleicht zu wörtlich genommen. Magnus Brunner war einer, der zeitgerecht erkannt hat, dass wir die Gießkanne, die da und dort zu breit gestreut hat, wieder durch zielgerichtete Injektionen ersetzen müssen.
Wenn Ihr ÖVP-Parteichef Karl Mahrer über Märkte und durch Einkaufsstraßen zieht und Negativ-Videos macht – ist das im Sinne der Wirtschaft vor Ort?
Nein. Ende. Sie können sich vorstellen, dass ich keine Freude hatte. Ich habe Karl Mahrer, mit dem ich befreundet bin, gleich nach dem Brunnenmarkt-Video gesagt: „Karl, das passt nicht zu dir. Ich kenne dich als Humanisten.“ Und falls es am Brunnenmarkt tatsächlich einen Händler mit syrischem Pass geben sollte, der fünf Stände betreibt – ich kenne den Herren ja nicht – dann freue ich mich, dass er hier bei uns lebt, etwas weiterbringt und seinen Beitrag zum Bruttoregionalprodukt leistet.
Wie zufrieden sind Sie mit dem Kurs der Landespartei?
Als Oppositionspartei hat man im Kern zwei Möglichkeiten, die einander übrigens nicht einmal ausschließen: Man kann Stimmenmaximierung betreiben. Und man kann versuchen, Verantwortung zu tragen. Ich bin der Meinung, dass der derzeitige Weg der Wiener ÖVP keines der beiden Ziele erreichen wird.
Was müsste anders laufen?
Mein Flügel der ÖVP, der Wirtschaftsbund, will mitgestalten. Das ist besser, als nur zu kritisieren. Vor allem, wenn die Kritik nicht konstruktiv ist. Auf der Mariahilfer Straße einen Schlafenden zu filmen, daran kann ich sehr wenig Konstruktives erkennen. Mein Ziel ist der Konsens oder, wenn er nicht möglich ist, der Kompromiss.
Vermissen Sie Mahrers Vorgänger, Gernot Blümel?
Wir haben uns besser verstanden, als es gemeinhin kolportiert wurde. Gernot Blümel war ein grader Michl. Er hat mir gesagt, was ihm nicht passt – und ich ihm, was mir missfällt, etwa sein EU-Bashing damals, das eher zur FPÖ als zur ÖVP gepasst hat.
Bei der geplanten City-Verkehrsberuhigung sind zwei Parteikollegen unterschiedlicher Meinung: Bezirkschef Markus Figl findet die Verkehrsberuhigung gut. Rainer Trefelik, Handelsobmann in der Bundes-Wirtschaftskammer, fürchtet um die Unternehmen. Wer hat recht?
Genau gesagt ist Rainer Trefelik, den ich sehr schätze, nicht für Wien zuständig. Er spricht nicht als Wiener Handelsobmann oder Vertreter der Wiener Wirtschaft, sondern als ansässiger Unternehmer. In der Sache glaube ich, dass nur eine Minderheit der Menschen ernsthaft der Meinung ist, dass wir mehr Autoverkehr in der Stadt brauchen. Eine Verkehrsberuhigung wird gut für die Bewohner sein. Sie kann auch gut für die Unternehmen sein, etwa wenn sie mehr Platz haben für Schanigärten oder Ähnliches. Wichtig ist, dass wir frei werdende Flächen gut nutzen und Geld für Investitionen in die Hand nehmen.
Also hat das Auto keine Zukunft in der Stadt?
Mobilität vermittelt Freiheit. Daher halte ich das Auto für wichtig. Es ist aber auch wichtig, an den richtigen Orten das jeweils passende Verkehrsmittel zu wählen. In der Stadt kann das durchaus auch der E-Scooter sein, wenn er nachher ordnungsgemäß abgestellt wird. Auch wir in meinem Unternehmen verwenden mittlerweile Scooter, um zu unseren Baustellen in der Innenstadt zu kommen. Einfach, weil es vernünftiger ist.
Werden Sie 2025 wieder bei der Wiener Wirtschaftskammer-Wahl antreten?
Ja, das habe ich vor.
Das Thema WKO – also Bundes-Wirtschaftskammer – ist für Sie erledigt? Oder liebäugeln Sie noch damit?
Das ist erledigt. Auch, weil ich Harald Mahrer und seinen sozialpartnerschaftlichen Zugang sehr schätze. Ich halte ihn für einen hervorragenden Präsidenten.
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