Renovierung im Museum: Wenn der Seeigel übersiedeln muss
Es sollte nicht einfach nur ein Museum, sondern ein „begehbares Lehrbuch“ sein: Schritt für Schritt, von Raum zu Raum werden die Besucher durch die Geschichte der Evolution geführt – Zigtausende Exponate erzählen die Entwicklung vom Einzeller bis zum Säugetier.
Doch seit der Eröffnung des Naturhistorischen Museums in Wien sind 130 Jahre vergangen. Kam früher eher das Bildungsbürgertum, sind es heute Besucher von Jung bis Alt aus aller Welt. Was einst als pädagogisch wertvoll galt, wirkt heute oft ein wenig angegraut. Und freilich ist auch der Wissensstand mittlerweile ein anderer. Daher wird der erste Stock des Museums seit 2023 im großen Stil modernisiert – der KURIER durfte einen Blick hinter die Kulissen werfen.
Arbeiten in drei Sälen
Um den Museumsbetrieb nicht zu stören, geschehen die Arbeiten in den 30 Sälen etappenweise. Aktuell sind die Säle 27, 28 und 29 für Besucher gesperrt. Amphibien, Reptilien und Vögel werden hier normalerweise gezeigt.
Derzeit sind Fußböden und Vitrinen mit Folien abgeklebt: „Die Vitrinen sind alle noch original“, erzählt Generaldirektorin Katrin Vohland. Ihr Inhalt wird nun digitalisiert, einheitlich etikettiert und auf den neuesten wissenschaftlichen Stand gebracht. Den Seeigel finde man derzeit zum Beispiel bei den Weichtieren. Der werde künftig bei den Fischen ausgestellt, dort passe er evolutionsgeschichtlich besser hin.
Und auch das Drumherum wird verschönert: „Die Habsburger haben viel Geld in die Hand genommen, um diesen Palast der Evolution zu bauen“, erzählt Vohland. Die Sichtachsen, die Deckenbemalung, die Beleuchtung – alles sei aufeinander abgestimmt. So entsprechen etwa die Deckenbemalungen dem Inhalt der Vitrinen: Sind Vögel in den Schaukästen, sind auch Vögel an der Decke abgebildet. „Oft fehlt aber der Verputz, oder die Motive sind angegraut. Daher lassen wir die Decken ebenfalls restaurieren“, erklärt Vohland.
1889 eröffnete das Naturhistorische Museum in Wien.
Im Vorjahr zählte man fast eine Million Besucher.
30 Millionen Sammlungsobjekte werden hier aufbewahrt. Eines der prominentesten Exponate ist die 29.500 Jahre alte Venus von Willendorf.
Die Umbaupläne: Geplant sind u. a. ein barrierefreier Eingang, ein neuer Fahrstuhl, die Überarbeitung der zoologischen Schausäle, ein neues Leitkonzept sowie ein Evolutionssaal.
Dazu ist im Saal Nummer 29 ein großes Gerüst aufgebaut. Acht Restauratoren arbeiten mit Pinsel, Schwämmchen und Fingerspitzengefühl daran, dass die Decke und die Dekorationsmalereien wieder wie neu aussehen. Eine von ihnen ist Anna Boomgaarden: „In den vergangenen 30, 40 Jahren hat sich an der Oberfläche viel Schmutz angesammelt.“ Die Motive werden gereinigt, die Farbe erneuert, und wo nötig, wird Blattgold oder Aluminiumfolie aufgebracht. Fünf bis sechs Wochen brauchen die Profis pro Saal.
Die Modernisierung betrifft übrigens nicht nur die öffentlich zugänglichen Bereiche: Unzählige Objekte lagern hinter den Kulissen. Etwa 5,5 Millionen gepresste Pflanzen, in der Fachsprache Herbarbelege genannt, die derzeit in grünen Schachteln bis zur Zimmerdecke gestapelt werden. Oder Schränke voller Korallen und Schnecken. Modernere Aufbewahrungssysteme und die Digitalisierung der Bestände sollen den Mitarbeitern künftig ihre Arbeit erleichtert. Ebenfalls geplant sind ein barrierefreier Eingang sowie ein zusätzlicher Aufzug. Sieben Millionen sind für die kommenden fünf Jahre vorerst budgetiert. „Es ist schon ein Lebenswerk“, sagt Vohland und lacht.
Im Kern gehe es aber vor allem darum: „Wie wecken wir Interesse und wie vermitteln wir Wissen am besten?“, sagt Vohland. Schließlich wolle man noch lange Zeit ein interessantes Lehrbuch sein.
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