Rechtsstreit in Wien: Über Drogenrazzia wuchs kein Gras

Es war im Sommer 2020, als die Polizei eine Lagerhalle in Wien-Liesing stürmte. Eigentlich war man zu einer anderen Adresse in dem Gewerbepark gerufen worden - doch aus der Halle strömte ein intensiver Cannabis-Geruch.
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Was mit einer Nachschau der Polizei (sogar WEGA und die Diensthunde-Einheit waren involviert) begann, endete mehr als drei Jahre später mit einem beachtlichen und rechtskräftigen Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen in Wien. Denn was in dieser Sommernacht passierte, kommt der Republik Österreich teuer.
Anbau für Kosmetikprodukte
Die Polizei wurde damals in der Lagerhalle fündig. In Reih und Glied gedieh eine Hanfpflanze neben der anderen. Insgesamt waren es 1.792 Stück. Warum man das so genau weiß? Die Beamten griffen zur Gartenschere, schnitten sämtliche Pflanzen um und transportierten das vermeintlich illegal wachsende Grün ab.
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Dass der anwesende und schlecht Deutsch sprechende Mann mehrmals darauf aufmerksam machte, dass es sich um legalen Nutzhanf ohne erhöhten THC-Gehalt handelte, der für Kosmetikprodukte angebaut wurde, blieb ungehört. Und so stand Pascal Novosel, der Besitzer der Hanfplantagen ein paar Stunden später vor den Trümmern seines Unternehmens.

Wird ein Konsument mit Cannabis erwischt, stellen sich den Polizisten mittlerweile gleich mehrere Fragen – handelt es sich doch um zahlreiche Graubereiche. So müssen Polizisten klären, ob es sich um den verbotenen Hanf mit dem Rauschmittel THC handelt, was eigentlich nur mit Labormethoden herauszufinden möglich ist.
Mehr noch: Gegen ihn wurde ein Strafverfahren eingeleitet – und wenig später schon wieder eingestellt.
Doch das war erst der Anfang. Neben finanziellen Einbußen – „Zwei Monate stand unsere gesamte Produktion. Trotzdem hatten wir laufende Kosten wie etwa die Miete, ich musste mich von Mitarbeitern trennen“ – ging für Novosel erst der Ärger mit der Finanzprokuratur (Anwalt des Staates, Anm.) los.
"Kein schuldhaftes Verhalten von Bundesorganen"
Diese sollte den Schaden (laut eigenen Angaben betrug er 200.000 Euro) wiedergutmachen. Die Antwort war ernüchternd. Die Finanzprokuratur erklärte, dass kein rechtswidriges oder schuldhaftes Verhalten von Bundesorganen vorgelegen habe. Auch die Sicherstellung der Pflanzen sei vertretbar gewesen.
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Anzeigen
Die Anzeigen nach dem Suchtmittelgesetz sind 2022 im Vergleich zum Jahr davor leicht gestiegen. 2022 gab es 34.928 Anzeigen.
1,8 Tonnen
Cannabisprodukte wurden im Vorjahr sichergestellt. Cannabis dominiert seit jeher den heimischen Drogenmarkt. Die Zahl der Plantagen war deutlich rückläufig. Waren es 2021 noch 1.028, so betrug die Anzahl im Folgejahr „nur“ noch 722.
„Volksdroge“
Laut Drogenbericht des Innenministeriums 2022 haben bis zu 40 Prozent aller 15- bis 24-jährigen Österreich mindestens einmal Cannabis konsumiert.
Eine vielseitige Pflanze
Das Verwaltungsgericht Wien sah das anders. Sehr wohl sei die Amtshandlung im durchgeführten Ausmaß rechtswidrig gewesen. Die Polizei hätte erst überprüfen müssen, ob es sich tatsächlich um THC-hältigen Hanf handelt, ehe die Beamten die gesamte Plantage roden. Schließlich sei bekannt, dass Hanf eine vielseitig verwendete Pflanze sei.
Dennoch weigerte sich die Finanzprokuratur, den Schaden zu begleichen. Novosel musste mit Rechtsanwalt Harald Premm den Weg zum Landesgericht für Zivilrechtssachen in Wien einschlagen und eine Amtshaftungsklage einbringen.
Nach mehreren Verhandlungsterminen und einem Gutachten, wie hoch der Schaden wirklich ist, fällte das Gericht ein Urteil: Die Republik haftet für die voreilige Cannabisernte. Sie muss den entstandenen Schaden begleichen. Allerdings nicht in der geforderten Höhe von 200.000 Euro. Novosel wurden rund 130.000 Euro zugesprochen. Er will sich nicht mehr dazu äußern.
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