Wo Raves leiser drehen müssen und ein Freiluft-Partyort entsteht
Es kann der Motivierteste nicht in Frieden feiern, wenn es den Nachbarn nicht gefällt.
Bekanntlich beschwerten sich Anrainer aus neu errichteten Hochhäusern über den Lärm aus der nahen Arena. Sie steht seit fast 50 Jahren in Wien für Veranstaltungen offen. Eine neue Sound-Anlage, bei der die Stadt 595.000 Euro zuschießt, soll die Ohren und die Gemüter beruhigen.
Nächster Fall: Der Rebellion Rave in der Marx Halle quasi ums Eck. Der Raum bietet mit dem Stahlgerüst ein Ambiente, das man in Partystädten wie Amsterdam oder London gewohnt ist. Die Techno-DJs, die hier auflegen, spielen international in der obersten Gehaltsliga.
Rebellion Rave im Gasometer
Doch die Veranstalter bekamen es mit der Behörde zu tun. Sie mussten die Fläche wegen Lärmschutzauflagen verkleinern. Jetzt ist die Party im Gasometer zu Hause.
„Bei lauten Veranstaltungen in der Marx Halle, die bis 5 bzw. 6 Uhr dauerten, wurde zuletzt der Emissionswert für die Musik um 3 dB niedriger angesetzt, um die Anrainer vor unzumutbarer Belästigung zu schützen“, teilt die MA 36 mit, die für Veranstaltungen zuständig ist. Sachverständige legen für jede Veranstaltung einen Emissionswert fest.
Wenn das Partyvolk auf Anrainer mit Ruhebedürfnis trifft, kommt es naturgemäß zu Problemen. Der Bass ist in einiger Entfernung auch noch zu spüren. Zuletzt musste auch das Freiluft-Projekt „Draussen“ zwischen Containern in Liesing wieder zusperren.
„Wien ist dicht bebaut und dicht besiedelt. Da ist es schwierig, einen Ort zu finden, wo man etwas machen kann“, sagt Thomas Jirku von der Vienna Club Commission, der Servicestelle für Anliegen im Veranstaltungsbereich. Eine Bewilligung für eine Party zu bekommen, ist da nicht leicht.
Party unter der Tangente auf der Donauinsel
Daher brauche es sogenannte Free Spaces, also fixe Orte für legale, nicht-kommerzielle Veranstaltungen, wo man niemanden stört. Zürich, Leipzig und Berlin machten es vor. Nun gibt es nach einer Petition aus der Clubwelt auch einen Free Space in Wien, obwohl die Suche nicht leicht war: „Von 20 möglichen Orten ist einer übrig geblieben.“ Unter der Tangente auf der Donauinsel steigen von Mai bis September sieben Partys.
„Der Ort ist an die U2-Station Donaustadtbrücke angeschlossen, und die nächsten Anrainer sind weit weg.“ Wobei: „Gerade wurde wieder ein Wohngebäude in der Nähe gebaut.“ Geht es nach der Club Commission, dann soll es bis 23 Uhr gehen. Danach heißt es, in der Disco weiterfeiern.
Jirku ist überzeugt davon, dass es Orte für Partys braucht. „Sie bringen junge, kreative Menschen in die Stadt.“ Das Nachtleben sei ein Standortfaktor, dazu habe die gesamte Nachtgastronomie in Wien einen Jahresumsatz von einer Milliarde Euro.
„Wien ist dicht bebaut und dicht besiedelt. Da ist es schwierig, einen Ort zu finden, wo man etwas machen kann.“
Um große Beträge geht es auch in der Immobilienwelt. Wer viel Geld für eine neue Wohnung bezahlt, möchte nicht dort wohnen, wo es laut ist. Siehe Arena oder Marx Halle. „In London mussten wegen des Immobilienbooms viele Clubs wegen Anrainerbeschwerden schließen. Hier hat man die Verantwortung dem Agent of Change übertragen“.
Auch in Wien sollen Bauträger zahlen
Der Agent of Change ist in dem Fall der Investor. Und der muss dafür sorgen, dass eine Lokalität weiter betrieben werden kann und dass die Bewohner nicht belästigt werden. Er muss entweder bei den neuen Gebäuden Lärmschutzmaßnahmen setzen oder Nachbesserungen bei Clubs finanzieren. „Würde man das in Wien übersetzen, müssten das die privaten Bauträger übernehmen – und nicht wie bei der Arena die öffentliche Hand“, sagt Jirku.
Lärm ist ein Riesenthema beim Zusammenleben in Städten und bei Stadtentwicklung. Vor allem wenn er von Jugendlichen oder Kindern gemacht wird, das haben Studien ergeben. „Lärm ist eben ein Problem, das unter die Haut geht“, sagt Soziologe Christoph Reinprecht. Und Geräusche von jungen Menschen werden weniger hingenommen als etwa der Verkehrslärm.
Kommentare