15 Jahre Haft für Mordversuch: Angeklagter "wollte Feinde vernichten"

15 Jahre Haft für Mordversuch: Angeklagter "wollte Feinde vernichten"
Ein 21-Jähriger hat einen Fahrgast fast totgeschlagen. Laut Gutachter ging es dem Verurteilten "um die Vernichtung des Gegenübers".

Einen falschen Blick, mehr brauchte es nicht, damit Marcel M. (Name geändert, Anm.) völlig die Beherrschung verlor. Am 4. Jänner war es für den mehrfach Vorbestraften wieder so weit. Ein 63-jähriger Trafikant wollte sich in der U3 neben den jungen Mann setzen und forderte ihn auf, nicht so breit dazusitzen.

Für den kräftigen, groß gewachsenen Kampfsportler genug, um rotzusehen. Einem wuchtigen Schlag ins Gesicht, der dem Opfer das Bewusstsein raubte, folgten rund ein Dutzend Tritte bzw. Sprünge auf den Kopf und die Brust. „Bei einer so heftigen Gewalteinwirkung sind durchaus lebensgefährliche Verletzungen zu erwarten“, erklärte Gerichtsmediziner Wolfgang Denk am Mittwoch.

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Der Mann überlebte, erlitt neben einer Gehirnerschütterung aber Brüche des Brustbeins, des Schlüsselbeins, einer Rippe und der Nase. Dementsprechend direkt drückte sich Gerichtspsychiater Peter Hofmann aus: „Ohne haftbegleitende therapeutische Maßnahmen ist nach der Entlassung mit einem Kapitalverbrechen zu rechnen.“

Am zweiten und finalen Prozesstag ging es um die Einschätzungen der Sachverständigen. Auf Grundlage derer Gutachten mussten die Geschworenen entscheiden, ob es sich um versuchten Mord oder schwere Körperverletzung handelt.

Der Angeklagte, der sich mit Drogenkonsum rechtfertigte, zeigte insgesamt nur wenig Reue. Die meiste Zeit starrte er anteilnahmslos auf den Boden. Lediglich zu Prozessende rang er sich durch und sagte: „Ich weiß hundertprozentig, ich wollte niemanden umbringen.“

Pseudomachismus

Laut Psychiater Hofmann leidet Marcel M. an einer strukturellen Persönlichkeitsstörung, es fehle jegliche Empathie. Mit seiner ungünstigen familiären Biografie – der heute 21-Jährige wurde mit 17 vor die Tür gesetzt und lebt seitdem auf der Straße – sei das aber nicht zu erklären. Es gehe ihm in solchen Situationen um das Ausleben pseudomachistischer Triebe.

„In diesen Momenten wollte er seine Aggression ausleben und Feinde vernichten“, so der psychiatrische Sachverständige. Dieser betonte jedoch, dass der 21-Jährige während seiner Taten zurechnungsfähig war.

Den „Trieben“ von Marcel M. sollen im Zeitraum von 29. Dezember 2022 bis 10. Jänner 2023 unprovoziert drei weitere Männer zum Opfer gefallen sein. Einer hatte ihm keine Zigarette gegeben, ein anderer angeblich seine Freundin angeschaut. Am 10. Jänner schließlich erschien der junge Mann beim Arbeitsplatz seiner zu dem Zeitpunkt schon Ex-Freundin. Als ihn der Chef der Frau wegschickte, bekam dieser einen Schlag ins Gesicht.

Alle vier Attacken waren Teil der Anklage. In der Vergangenheit wurde der Beschuldigte  wegen ähnlicher Vorfälle bereits verurteilt. „Er hat aus den Strafen nichts gelernt, es ist selbstevident, dass sich das Verhalten wiederholt“, befand Hofmann. Ihm zu Folge wäre der Angeklagte dem „Großstadtdschungel“ und einem sozialen Milieu, in dem er dauernd kämpfen müsse, nicht gewachsen.

Die Geschworenen teilten diese Auffassung. Sie bewerten die Attacke auf den 63-jährigen Trafikanten als versuchten Mord. Marcel M. wurde zu 15 Jahren Haft verurteilt. Zusätzlich wurde er in ein forensisch-therapeutisches Zentrum eingewiesen. Urteil nicht rechtskräftig.

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