Prozess: Erst hatte Frau Salzsäure im Auge, dann wurde ihr Daumen abgehackt
Monster oder Menschenfreund? Der 41-jährige Angeklagte hebt im Landesgericht für Strafsachen in Wien Dienstagvormittag empört die Hände: "Sehe ich aus wie ein Monster?"
Doch die Anklage gegen den untersetzten Mann hat es in sich. Neben mehreren Betrugsfakten wird ihm auch vorgeworfen, drei Unfallversicherungen für eine obdachlose Frau abgeschlossen zu haben. "Weil sie so tollpatschig ist. Schauen Sie, sie geht so", sagt er zum Richter, steht auf und führt einen Watschelgang vor.
Pechsträhne
Kurz nach Abschluss der Versicherungen begann die "Pechsträhne" der Bulgarin, die der Mann bei einer Essensausgabe kennen gelernt haben dürfte. Erst landete Salzsäure in ihrem linken Auge. "Ein Unfall beim Putzen", wie der Mann erklärt. Drei Wochen später verlor sie den Daumen. "Ein Unfall bei Gartenarbeiten". Die Versicherungen zahlten daraufhin mehrere Zehntausend Euro aus - die beim Angeklagten gelandet sein sollen.
"Die Frau pendelt zwischen Caritasheim und Abbruchhaus und schließt gleichzeitig drei Versicherungen ab? Das ist hinten und vorne nicht schlüssig", bemerkt der Richter.
"Schrei nicht!"
Das Opfer schildert eine andere Geschichte: Es sei gezwungen worden, sich im Badezimmer auf den Boden zu legen. "Schrei nicht!", habe man ihr erklärt. Dann wurde ihr etwas ins Auge getropft, das höllisch schmerzte. Die Versicherungen zahlten 30.000 Euro aus.
Drei Wochen später sei sie nach Ungarn gebracht und dort an eine Tür gefesselt worden. Dann wurde ihr ein Daumen abgehackt. Immerhin 25.000 Euro Versicherungsleistungen sollen dafür geflossen sein.
Der Mann (vertreten von Rechtsanwalt Mathias Burger) weist das alles von sich. Er präsentiert sich als Menschenfreund. Er habe der Frau und ihrem Lebensgefährten nur geholfen.
Helfer in der Not?
Und nicht nur ihnen. Er war nämlich auch Obmann eines Hilfsvereins für "Katastrophenfälle". Doch wohin die Spendengelder hingeflossen sind, lässt sich nicht so genau nachvollziehen. "Das war für Waisen und den Tierschutz", erklärt der 41-jährige Serbe. "Für welche Katastrophen genau?", hakt Richter Ulrich Nachtlberger nach und gibt sich die Antwort selbst. "In die Katastrophenhilfe ist gar kein Geld geflossen. Maximal in Ihre private Katastrophe."
"Für die ganze Welt", beharrt der Angeklagte. Beispiel kann er keines nennen. "Sie sind arbeitslos, haben gepfuscht und sind finanziell so flach wie die Puszta. Dass Sie sich da um andere kümmern, ist seltsam", hält der Richter fest.
Tanken statt Wohlfahrt
Am Konto lässt sich nicht nachvollziehen, wie das Geld für Bedürftige verwendet wurde. Stattdessen wurden Tankrechnungen beglichen und Barabhebungen getätigt. "Ihr Spendenkonto war sogar überzogen", fällt Nachtlberger auf.
Der Angeklagte verwickelt sich in Widersprüche. Das veranlasst den Staatsanwalt zu einem Lachen. "Warum lachen Sie?!", herrscht ihn der 42-Jährige empört an.
Der Prozess wird am 29. März fortgesetzt.
Ein Komplize, der beim Bestellbetrug half, wurde bereits zu zehn Monaten bedingter Haft verurteilt; rechtskräftig.
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