Prozess: Elf Jahre Haft für mutmaßlichen Mafiapaten
Dario D., alias Dexter (nach der blutrünstigen TV-Serie), will eigentlich gar nichts sagen. Eigentlich. Denn die Dolmetscherin unterbricht der Serbe dann doch recht häufig, diskutiert mit ihr. „Er sagt, ich soll ihn nicht unterbrechen, wenn er mich unterbricht“, übersetzt die Dolmetscherin der Richterin.
Dario D. ist Freitag Vormittag aufgebracht. Der mutmaßliche Mafiapate, der mit Komplizen in einer Wiener Garage 13 Kilo Koks geraubt haben soll, sitzt unschuldig vor Gericht. Sagt er.
Doch die Unschuld des 34-Jährigen ist so eine Sache. In Serbien saß er bereits wegen Mordes in Haft. Er soll dem montenegrinischen Kovacian-Clan angehören, der groß im Drogengeschäft ist. Auch der Tote vom Lugeck gehörte dem Clan an. Außerdem hätten die serbischen Behörden Dario D. gerne wieder im Land. Sie werfen ihm vier Morde vor. In Österreich laufen weitere Ermittlungen gegen ihn – auch wegen angeblicher Mordaufträge, die er zum Teil aus der Haft gemacht haben soll.
Personenschutz
Grund genug, dass die Richterin in diesem Verfahren Personenschutz hat. Die Namen der Schöffen werden nicht genannt. Der Bereich zum Verhandlungssaal ist gesperrt. Wer hinein will, muss sich ausweisen – die Polizei kontrolliert noch vor Ort die Meldedaten der Zuhörer.
Der einzige Zeuge des Tages hält es wie der Angeklagte. Er will eigentlich nichts sagen. Doch der Vorwurf ist bekannt: Dario D. soll ihn mit Komplizen in einer Garage überfallen und ihm einen Messerstich in die Schulter zugefügt haben. Dann sollen sie ihm 13 Kilo Koks und 160.000 Euro in bar abgenommen haben. „Ich kenne hier niemanden“, meint der Zeuge. Und: „Seit dem Vorfall fürchte ich mich vor meinen eigenen Schatten. Ich will mich da nicht in irgendwas hineinreiten.“
Bilder von der Tat
Die Richterin zeigt Bilder. Die Täter haben sie während des Überfalls selbst aufgenommen. Ein Mann kauert verängstigt am Boden. Es ist der Zeuge.
Warum man weiß, dass Dario D. einer von ihnen war? Aufgrund ausgiebiger Chats. Mit Anweisungen, Planungen, Drohungen und sehr vielen Bildern, darunter auch Selfies, die auf verschlüsselten Kryptohandy-Diensten verschickt wurden.
Die will Verteidiger Werner Tomanek in diesem Verfahren erst gar nicht zugelassen haben. Er will erst vom Europäischen Gerichtshof klären lassen, ob die Beweismittel überhaupt verwendet werden dürfen. Dürfen sie, meint die Richterin.
Und so erfahren die Zuhörer auch, was in dem konkreten Chat rund um den Überfall besprochen wurde: „Wenn er (gemeint ist der Zeuge, Anm.) spricht, stirbt er.“
Das Urteil ist nach rund 30 Minuten Beratung gefällt: Dario D. wird – nicht rechtskräftig – zu elf Jahren Haft verurteilt. „Durch die Chats ist es fast so, als wären wir live neben der Tat gestanden. Alles ist belegt“, sagt die Richterin, die zudem betont: „Die Gleichgültigkeit gegenüber einem fremden Leben ist erschreckend. Das kennen wir in dieser Dimension nicht.“
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