Prozess: Der Tod des Promi-Juweliers „Berti“
Zwei Tage vor seinem 20. Geburtstag erstach Ali G. einen Menschen. „Schuldig“, sagt der mittlerweile 21-Jährige Montagfrüh im Landesgericht für Strafsachen in Wien. „Aber...“, fügt er hinzu.
Es war der 14. Oktober des Vorjahres, als der 74-jährige Juwelier Berthold S. leblos im Eingangsbereich seines Geschäftes in Wien-Landstraße zusammenbrach. 19 Mal war auf ihn mit einem Messer eingestochen worden. Am Hals, im Gesicht, am Oberkörper. Ali G. und sein Komplize tauchten mit der Beute unter. Ende April wurde der Mann an der serbisch-ungarischen Grenze festgenommen.
56 Straftaten
„Seine Lebensgeschichte ist erstaunlich“, sagt der Staatsanwalt. „Er ist sofort ins massive Verbrechen eingestiegen.“ Insgesamt werden ihm 56 Straftaten angelastet. Bei den meisten handelt es sich „nur“ um Einbruchsdiebstähle. Sie spielen beim aktuellen Prozess keine Rolle. Viel schwerer wiegt der Mordvorwurf – und vier schwere Raubdelikte.
Ali G. ist in Serbien geboren. Er wuchs in geordneten Verhältnissen auf, war auf einer Fachhochschule. Der junge Mann ist verheiratet, er arbeitete im Familienbetrieb mit. Er ist weder spielsüchtig noch drogenabhängig.
Aber: Es gab einen schwer kriminellen Onkel in der Familie (er ist mittlerweile gestorben), der den stattlichen und deutlich älter wirkenden Ali G. bedrohte und zur Kriminalität nötigte. Sagt Ali G. „Einmal hat er mir eine Waffe an den Kopf gehalten“, erzählt er. Dieser Onkel habe ihn nach Österreich gebracht. „Da war ich 17 oder 18 Jahre alt.“ Sein erster Job sei es gewesen, bei Einbrüchen Schmiere zu stehen.
Wenig später sollte er selbst einbrechen gehen. Und schließlich wurden aus den Einbrüchen Raubüberfalle. Konkret Home Invasions. Nachts stieg er mit einem Komplizen in Wohnungen oder Häuser ein. Die Bewohner wurden im Schlaf überrascht, geschlagen, misshandelt – bis sie offenbarten, wo die Wertgegenstände versteckt sind. Doch ein Opfer, ein Opernsänger, wehrte sich. Die Täter schlugen so heftig auf ihn ein, dass er bleibende Schäden an einem Auge davontrug. Der Opernsänger schaffte es, die Räuber in die Flucht zu schreien.
Stunden später
Die letztgenannte Tat ereignete sich nur wenige Stunden vor dem tödlichen Juwelier-Überfall. „Das war ein Auftrag meines Onkels“, erklärt der Angeklagte einmal mehr. „Ich sollte reingehen und dann meinem Komplizen die Tür aufmachen.“
Ali G. betrat das gesicherte Geschäft von Berthold S., kaufte einen Ring. Und ging wieder. Zehn Minuten später stand er erneut vor der Tür. Angeblich, um eine Halskette zu kaufen. „Der andere Mann ist vor der Tür gestanden. Plötzlich sind meine Gefühle durcheinander gekommen“, schildert Ali G., der da schon ein Messer in der Hand hielt. Als der Juwelier an seine Hüfte griff, habe er gedacht, dass er bewaffnet sei. „Er hat nach mir gegriffen, es ist zu einer Rauferei gekommen.“ Da habe er zugestochen. „Ich wollte ihn nicht töten“, sagt er.
„Wie oft haben Sie auf ihn eingestochen?“, fragt der vorsitzende Richter Andreas Hautz. Das weiß der Angeklagte nicht mehr. „Aber als ich das Geschäft verlassen habe, hat er noch gelebt.“ Zuvor packte er noch Schmuck in seine Tasche. Er streifte seine Kleidung ab (er trug zwei Schichten) und floh. „Alles war völlig mit Blut getränkt“, erinnert er sich.
Er selbst bekam für den Überfall ein paar tausend Euro. Den Schmuck übergaben die Täter dem Onkel.
Am Mittwoch wird der Prozess fortgesetzt. Dem Angeklagten drohen bis zu 20 Jahre Haft – eine lebenslange Strafe kommt aufgrund seines Alters nicht infrage.
Promi-Juwelier: Kicker waren seine Kunden
Seine Stammkunden nannten Berthold S. liebevoll „Berti“. Der 74-jährige war glühender Fußballfan. Sein Herz schlug unter anderem für die Admira. Außerdem war er treuer Besucher von Länderspielen. Jahrelang stellte er auch die goldenen und silbernen Ehrenzeichen her, die an ÖFB-Funktionäre verliehen wurden.
Zu seinen Kunden zählten Kicker-Größen wie Herbert Prohaska, Peter Artner oder Toni Polster. „Ich bin erschüttert“, sagt Polster unmittelbar nach Bekanntwerden der Tat. „Der Berti war in Fußballerkreisen einfach der Juwelier, bei dem man Schmuck gekauft hat. Es ist mir unbegreiflich, wie man so etwas einem Menschen antun kann.“
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