Neben der Pyramide wurde eine kleine Holzhütte errichtet, gegenüber stehen elf bunte Zelte im Halbkreis neben fünf Holzkojen und einem Tipi. Das Tipi gehört der Wüstenhexe. Die meisten Bewohner des Camps sind berufstätig, daher ist am Vormittag weniger los, erklärt sie.
Aufgrund des Lockdowns muss sie selbst zurzeit nicht arbeiten und widmet sich voll und ganz dem Leben im Camp.Sie war bereits in den 80er-Jahren in Hainburg an vorderster Front dabei und kämpft nun gegen die Verbauung der Lobau. In ihrem Gesicht spiegelt sich Lebenserfahrung wider, ihre Kleidung ist bunt, ihre Haare sind zu einer wilden Mähne aus Dreadlocks gezwirbelt.
Mehrere Klimaschützer
Im September hat die Wüstenhexe das erste Mal im Camp übernachtet. Begonnen hat der Protest aber schon am 27. August. Verschiedene Klimaschutzbewegungen wie Fridays for Future, Extinction Rebellion, System Change not Climate Change, der Jugendrat sowie Bürgerinitiativen demonstrierten an diesem Tag.
Sie marschierten von der Baustelle an der Hausfeldstraße bis zu einem Park in der Anfanggasse. Im Park errichteten sie ihr Basislager. Von dort aus schwärmten sie in den darauffolgenden Tagen aus und besetzten drei Baustellen der Asfinag und der Stadt Wien.
Im August war es kein Problem, den ganzen Tag draußen auf den Baustellen zu verbringen – doch mittlerweile ist es zu kalt. Deshalb wurde auch die Pyramide errichtet. Ein schwerer Orientteppich schützt ihren Eingang. Es riecht nach Stall. Kein Wunder, die Pyramide ist zur Dämmung vollständig mit Stroh ausgekleidet.
Durch ihre Bauart können im Inneren bis zu zehn Grad ganz ohne Heizung erreicht werden. Daneben steht eine kleine, beheizte Holzhütte. In dem winzigen Zimmer sitzen vier junge Menschen. Eine der Besetzerinnen hat einen Laptop auf dem Schoß. Sie heißt Isi und macht gerade Homeoffice. Sie und Matthias, der junge Mann neben ihr, sind erst vor Kurzem vom Basiscamp in die Wüste übersiedelt.
Illegal, aber geduldet
Beim Basiscamp handelt es sich um die einzig legale Protestaktion – sie ist eine angemeldete politische Versammlung. Die Baustellenbesetzungen hingegen sind illegal. Derzeit werden die Besetzer dort geduldet, die Polizei darf aber jederzeit mit einer Räumung beginnen. Die Aktivisten sind für den Ernstfall vorbereitet.
Wie, das ist ein Geheimnis. Es gab in der Vergangenheit zwar schon Gespräche mit der Stadt. Im Basiscamp erzählt Aktivist Shree, dass die Stadt den Austausch aber nie ernst genommen hätte. (Ein Vorwurf, den man sich wechselseitig ausrichtet.)
Im Laufe des Lokalaugenscheins wird klar, dass es um mehr geht als die Verhinderung der Bauprojekte. Sie zu stoppen, sei der Anfang. Ziel ist eine dauerhafte Veränderung in der Klimapolitik. Auf die Frage, was passiert, falls der Bau eingestellt werde, antworten alle: Das Camp wird weiter bestehen.
„Das Ganze hier ist auch eine Art Sozialexperiment“, meint Matthias. „Auf lange Sicht würden wir gerne eine ökosoziale Kommune errichten.“ Das Motto lautet: Gekommen, um zu bleiben.
Anrainer unterstützen die Camper dabei, lassen sie bei sich duschen, bringen Essen vorbei. Doch nicht alle begegnen ihnen freundlich.
Manche Autofahrer würden beim Vorbeifahren aus dem Fenster rufen: „Ihr Spinner, gehts endlich was hackeln!“ Matthias meint dazu nur: „Es war immer eine Gruppe von Spinnern, die langfristige Veränderung gebracht hat“.
Auch wenn der Winter das Leben im Camp erschwert hat, gibt der Zusammenhalt den Aktivisten Kraft – und Hoffnung. „Wir sind nicht viele, aber können trotzdem ein Milliardenprojekt stoppen“, sagt einer. Ob er recht behält, wird sich zeigen. Fest steht, dass es in zwei Wochen eine coronakonforme Eröffnungsfeier der Pyramide gibt.
Und vielleicht kann dann auch schon der offizielle Baustopp mitgefeiert werden.
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