Poetischer Aktionismus in Wien: Eine Stadt schreibt Gedichte

Literat Daniel Böswirth druckt Gedichte auf einer Linolpresse und hängt sie im öffentlichen Raum auf.
Ein Schriftsteller hängt in Wien Gedichte auf. Viele Wiener beteiligen sich daran und hängten hundert eigene Texte dazu.

Literat Daniel Böswirth hängt unter dem Motto „Seven poems seven days“ an sieben unterschiedlichen Tagen Gedichte in der Stadt auf. Dafür schnitzt er erst Plakatvorlagen in Linol; gedruckt wird an den Aktionstagen selbst. Und zwar mittels einer großen Linoldruckpresse. Zehn Plakate werden dabei hergestellt, neun an die Zuschauer verteilt, eines wird aufgehängt.

Fünf Mal hat er das schon getan, zwei Tage sind noch ausständig. Die nächste Aktion findet am Mittwoch, 8. September, um 18 Uhr beim Museumsquartier beim Wäldchen direkt vor dem U2 Ausgang statt. Böswirth nennt das „poetische Intervention“ und orientiert sich an einer Frage: Wem gehört der öffentliche Raum?

Dieser sei sehr kommerzialisiert, es gebe wenig Platz für Persönliches, sagt der Literat. Um die Aktion durchzuführen, hätte er rund 30 Genehmigungen gebraucht.

Selbst mitmachen

Um das zu ändern, sind die Wiener dazu aufgerufen, eigene Texte zu seinen Gedichten dazuzuhängen. Und das ist bisher auf große Resonanz gestoßen. Rund hundert Gedichte wurden bei den ersten Aktionstagen schon angebracht. Die meisten davon handschriftlich.

„Es sind sehr persönliche, oft auch schmerzhafte Sachen dabei“, sagt Böswirth. Viele schreiben in ihrer Muttersprache – so wurden Gedichte auf Persisch, Englisch und auch koreanisch aufgehängt.

Die besten Texte sollen als Abschluss auch in einem Buch abgedruckt werden. Finanziert wird die Aktion von „Kunst im öffentlichen Raum“ (KÖR).

Wenn es nach Böswirth geht, wird die Aktion eine permanente Ausstellung in Wien. „Aber ich habe dem Bürgermeister die Idee noch nicht unterbreitet.“ Derzeit versucht er Schulen, Flüchtlingsunterkünfte, Pensionistenheime, Strafanstalten und Obdachlosenunterkünfte in das Projekt einzubinden.

„Es soll eine Plattform für alle sein. Auch für jene, die den öffentlichen Raum selbst gar nicht mehr betreten können“, so Böswirth, etwa, weil man bettlägrig oder in Gefangenschaft ist.

Peter Turrini machte mit

Die Gedichte des Autos hängen immer für eine Woche am jeweiligen Ort, ab Mittwoch eben beim Museumsquartier. So lange hat man Zeit, sich daran zu beteiligen. Weitere Infos und alle Standorte gibt es online unter www.sevenpoemssevendays.at

Mittlerweile hat sich übrigens auch der bekannte Autor Peter Turrini an der Aktion beteiligt und schickte ein kurzes Gedicht per Post: „Die Wahrheit ist: Wir sind unfähig zu lieben. Wir können nur nicht genug von dieser Unfähigkeit kriegen.“ 

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