Pflegeregress abgeschafft: Wartelisten trotz freier Plätze

Pflegeregress abgeschafft: Wartelisten trotz freier Plätze
Nachfrage für geförderte Stations-Pflege stieg beim FSW um 33 Prozent / Kritik von Neos.

Es klingt absurd, welche Auswirkungen die Abschaffung des Pflegeregresses (also des staatlichen Zugriffs auf das Vermögen der zu pflegenden Person, Anm.) auf private Träger von Pflegeheimen hat: Denn obwohl es freie Plätze gibt, werden die Wartelisten für Heimplätze länger. Zum Beispiel bei der Wiener Caritas.

Private Träger von Pflegeheimen in Wien unterscheiden ihre Plätze in vom Fonds Soziales Wien (FSW) geförderte und Plätze von Selbstzahlern. Weil jene, die bisher selbst für die Kosten ihres Pflegeplatzes aufgekommen sind, seit Abschaffung des Regresses öfter auf einen geförderten Platz wechseln wollen, bleiben Selbstzahler-Plätze frei und die Wartelisten für eine geförderte Unterbringung werden länger.

„Das ist eine völlig bizarre Situation“, sagt Neos Wien-Klubchefin Beate Meinl-Reisinger. Der Staat schaffe Anreize, dass Menschen Angehörige „früher ins Heim geben“, gleichzeitig gebe es keine „nachhaltige Finanzierung“ für die Abschaffung des Regresses. „Und der FSW weigert sich, ein Überkontingent zu schaffen. Das ist dramatisch für die Privaten.“

Ganz so alarmierend sieht man die Causa bei der Caritas nicht. „Ja, die Situation ist herausfordernd“, sagt Klaus Schwertner, Generalsekretär der Caritas Wien. Allerdings sei das Kontingent an geförderten Plätzen bereits aufgestockt worden. Mit der Stadt sei man in „guten Gesprächen. Der Bund ist gefordert, die passende Lösung mit den Ländern zu finden“, sagt Schwertner.

Keine validen Zahlen

Bei der Caritas Socialis (trotz Ähnlichkeit des Namens keine Verbindung zur Caritas, Anm.) sind die Anfragen heuer im Jänner um 17 Prozent im Vergleich zum Jänner 2017 gestiegen. Sprecherin Sabina Dirnberger-Meixner betont aber, dass das „nicht nur mit der Abschaffung des Pflegeregresses zu tun hat“: Die Zahl der Anfragen für einen Pflegeplatz sei zu Jahresbeginn grundsätzlich größer.

Weil bei der Caritas Socialis vor allem Menschen mit hohen Pflegestufen betreut werden, fallen von insgesamt 300 Pflegeplätzen in Wien nur 16 auf Selbstzahler. Dirnberger-Meixner erkennt zwar einen „Trend hin zu stationären Einrichtungen“, allerdings gebe es dazu noch keine validen Zahlen. Das sei das Hauptproblem bei der Einschätzung der Auswirkungen der Abschaffung des Pflegeregresses.

Bei SeneCura registriert man seit Anfang des Jahres „einen kontinuierlichen Anstieg“ bei der Nachfrage nach Pflegeplätzen. „Es gilt, den Trend während des ersten Halbjahres 2018 zu beobachten“, sagt Regionaldirektor Werner Bernreiter. Erst im September soll über eine Aufstockung der Plätze und etwaigen Ausbau der Standorte entschieden werden.

Peter Hacker, Geschäftsführer des Fonds Soziales Wien, ist „besonders amüsiert, dass ausgerechnet die Neos, die sonst für höchste betriebswirtschaftliche Präzision sind, wollen, dass wir unser Budget übersteigen“. Dabei handle es sich ja immerhin um Steuergeld.

Auch beim FSW ist die Nachfrage für Pflegeplätze enorm gestiegen. Im Jänner lag sie heuer im Vergleich zum Vorjahr bei einem Plus von 25 Prozent. Im Februar ist das nun sogar auf 33 Prozent gestiegen. „Das ist irre“, sagt Hacker. Der überwiegende Teil seien Kunden, die neu ins Pflegesystem eintreten. „Ich bin ein Befürworter der Abschaffung des Pflegeregresses, aber der Bund muss endlich mit uns über die Finanzierung reden.“ Verhandlungen hätten noch nicht stattgefunden.

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