Es ist ein ungewöhnlicher Anblick: Während die Wiener am Rathausplatz beim Filmfestival feiern, kommen hinter der Leinwand, im Arkadengang direkt vor dem Rathaus, gut ein Dutzend Obdachlose unter. Sie liegen am Boden, nur manche sind in Schlafsäcke gehüllt, andere schlafen auf den alten Holzbänken.
Einer von ihnen, Meliani Yacine Rudhil, erzählte dem KURIER, dass er den Arkadengang aufsuche, weil er in den Parks Angst vor Drogenabhängigen und Ratten habe. Vor dem Rathaus sei es sauber, öffentliche Toiletten seien nicht weit.
Nach dem Bericht versicherte der Fonds Soziales Wien, Sozialarbeiter dorthin schicken zu wollen – ein Team von ObdachWien schaute noch am Mittwoch vorbei.
Wegen eines Gewitters befanden sich zu diesem Zeitpunkt etwa 20 Personen unter den Arkaden. „Es handelte sich vor allem um Menschen aus den ehemaligen Ostblock-Staaten“, sagt Teamleiter Hassan Habakzeh. „Es waren viele Klienten von uns, aber auch neue Gesichter dabei.“
Die meisten von ihnen haben keine Ansprüche in Wien, weil sie sich illegal im Land aufhalten. Das heißt, dass sie keine Sozialhilfeleistungen bekommen. Auch EU-Bürger, die keine Arbeit finden, bleiben ohne gesicherten Lebensunterhalt.
Schlafsäcke verteilt
„Sie kommen wegen der prekären Situationen in ihren Herkunftsländern und suchen Glück und Arbeit woanders. Wien ist für Menschen vom Balkan dann oft der erste Stopp“, erklärt Habakzeh.
Der Treffpunkt beim Wiener Rathaus ist den Sozialarbeitern schon länger bekannt. „Wir versuchen immer wieder, unsere Angebote vorzustellen und eine Beziehung zu den Menschen aufrecht zu erhalten“, sagt der Teamleiter. Am Mittwoch wurden Schlafsäcke und Lebensmittel verteilt. „Dann erkundigen wir uns nach den Bedürfnissen und können reagieren.“
Seit 2018 gibt es übrigens die Chancenhäuser mit 450 Plätzen auch für nicht-anspruchsberechtigte Personen. Um die medizinische Versorgung kümmern sich etwa das Neunerhaus und der Louisebus der Caritas.
Hinweise aus der Bevölkerung sind willkommen
von Hassan Habakzeh
Teamleiter Obdach Wien
Freiwillige Rückkehr
Die Angebote werden aber nicht immer angenommen. „Das hat sehr individuelle Gründe“, erklärt Habakzeh. Manche würden es zwischen vier Wänden nicht aushalten, andere wollen einfach in Ruhe gelassen werden. Etwa drei Viertel der angesprochenen Personen würden sich aber über freiwillige Rückkehr beraten lassen.
Die Teams von ObdachWien sind in der ganzen Stadt unterwegs und kennen deshalb viele Orte, an denen sich Obdachlose aufhalten. Sie zu erreichen sei manchmal schwierig, weil die Menschen sehr mobil sind. Hinweise aus der Bevölkerung sind deshalb willkommen.
Es gibt keine offiziellen Zahlen darüber, wie viele Menschen tatsächlich wohnungs- und obdachlos sind.
Gerade Frauen begeben sich, um nicht auf der Straße übernachten zu müssen, in Zweckpartnerschaften und andere Abhängigkeitsverhältnisse. Ihre Wohnungslosigkeit wird erst sichtbar, wenn sie sich an ein Unterstützungsangebot wenden. Das macht es schwierig, Angaben über die Zahl betroffener Menschen zu machen.
2018 gab es 11.730 Kundinnen und Kunden in der Wiener Wohnungslosenhilfe. Das letzte Winterpaket des Fonds Soziales Wien nutzten 2.946 verschiedene Personen, darunter 577 Frauen. 20 Prozent davon kamen aus Österreich, 12 Prozent aus der Slowakei und jeweils 11 Prozent aus Ungarn und Rumänien.
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