Neueröffnung: Ein Gürtellokal lernt fliegen
Wenn man an die Stadtbahnbögen bei der U6 denkt, dann kommen einem sofort eine sechsspurige Straße und viele günstige Studentenlokale (siehe Infobox rechts) in den Sinn. Kurzum: Ein Ort zum Lautsein, weil es dort laut ist.
An ein luxuriöses Lokal für die Schickeria und die Jetset-Gesellschaft – daran wird in diesem Zusammenhang wohl kaum jemand denken. Doch genau das wünscht sich dort Viorel Grünwald. Die Vorbereitungen für seinen „Cella Vie Aviation Club“ in den Räumlichkeiten des früheren „Ride Club“ bei der Station Nussdorfer Straße (9., Stadtbahnbögen 175–176) laufen auf Hochtouren. Bereits am Montag rollte Grünwald den roten Teppich für eine Generalprobe aus.
Chelsea
8., U-Bahnbögen 29–30
Das Chelsea ist das Gürtel-Urgestein. Vor 26 Jahren öffnete das erste Lokal in den Stadtbahnbögen. Bekannt für Konzerte
Loco
9., Währinger Gürtel 172–174
Ähnlicher Lokal-Typ wie der frühere Ride Club – Stichwort Flatrate-Trinken und Erasmus-Partys. Ging 2019 Pleite, 2020 wurde aber einem Sanierungsplan zugestimmt
Weberknecht
16., Lerchenfelder Gürtel 47–49
Besonders in der Studenten- und Jugendszene beliebter Musik-Club mit Karaoke, Wuzzlern und Garten. Ging 2020 pleite, konnte aber weitergeführt werden
B72
8., Stadtbahnbogen 72
Fans der alternativen Musikszene schätzen die zweistöckige Bar. Hier gibt’s Live-Konzerte und gut besuchte DJ-Abende
Café Carina
8., Josefstädter Straße 84
Bands, DJs und Kabarett haben hier ebenso Platz wie Symposien, Filme oder Installationen
Glashütte
18., U-Bahnbögen 180
Trinkfestes Publikum, Schank mit wunderschöner Resopal-Platte. Toptipp für einen Absacker
„Es wird ein Club für Personen ab 35 Jahren, das Motto ist Fliegen“, sagt er. Der 52-jährige Ingenieur kommt aus der Luftfahrtbranche. Jahrelang arbeitete er etwa für Sita, ein belgisches IT-Unternehmen. Die Firma bietet in 200 Ländern Lösungen für Check-in-Systeme sowie für Systeme, die auf Flughäfen zum Einsatz kommen, an. Kein Wunder also, dass der Check-in im „Cella Vie“ digital sein wird.
Ein Netzwerk-Ort
Seit 2019 ist Grünwald zudem Geschäftsführer einer Firma, die sich der zivilen Luftfahrtindustrie und dem Grenzschutz widmet. „Der Club soll ein Ort für internationales Networking werden“, sagt er. Ähnliche Lokale plant er in Paris, in London und in Dubai.
Platz für 500 Gäste
Livemusik darf für Grünwald in einem derartigen Club auf keinen Fall fehlen. Und so spielten beim Soundcheck am Montag Musiker auf einer Bühne das Stück „Ungarischer Tanz Nr. 5“ von Johannes Brahms. Auf Bildschirmen im Hintergrund waren dabei Wellen zu sehen und ein animierter Wal. Danach sangen Opernsänger, wie Leah Manning oder Sergio Tallo-Torres klassische Stücke – etwa aus der Zauberflöte. Eine skurrile Mischung.
Wo früher Studenten für „All you can drink“-Abende aus allen Bundesländern Schlange standen, sollen – wenn es nach dem Besitzer geht – bald Diplomaten und Politiker einchecken. Anstatt 20 Euro zahlen sie dann aber auch 400 bis 600 Euro. Die Schickeria soll tanzen, sich austauschen, in der „Senator Lounge“ chillen – zwischen goldenen Stangen, glitzernden Sofas und bunten Lichtern an der Decke.
Vom Studentenlokal zur neuen Eden-Bar
Für die Transformation vom Studentenlokal in eine Art neue Eden-Bar hat Grünwald eine eigene künstlerische Leitung eingestellt, die das Programm gestaltet. Jeden Donnerstag soll etwa die Sängerin Caroline Kreutzberger, bekannt aus der RTL-Show „Supertalent“, singen. Freitags soll DJ Sergio Flores, bekannt aus der Eventreihe „Electric Church“, für gute Stimmung sorgen.
Platz gibt es im „Cella Vie“ für 500 Menschen – auf zwei Tanzflächen, auf zwei Ebenen, an einer runden Bar und in einem geheimen VIP-Raum. Die in London aufgewachsene Barchefin Jolien Hackett mixt Cocktails mit klingenden Namen wie „Flight Instructor“ – passend zum Thema Luftfahrt. 2019 machte Hackett den vierten Platz in einem internationalen Cocktailwettbewerb – als einzige Frau von 90 Bewerbern. Das Personal wird von dem Designer La Hong ausgestattet. Auch hier bleibt der rote Faden – das Flugzeug – bestehen: Stewards, Stewardessen, Pilotinnen und Piloten sollen Kaviar und Champagner bringen.
Ring des Proletariats
Zu seinen Lokalen kam der „Ring des Proletariats“, wie der Gürtel früher genannt wurde, übrigens vor rund 30 Jahren. Der 14 Kilometer lange Straßenzug wurde im 19. Jahrhundert gebaut. 1919 und 1933 errichtete die Stadt dort insgesamt 380 Gemeindebauten, die meisten am Margaretengürtel. In den 70ern wurde der Gürtel dann für die vielen Rotlicht-Lokale bekannt.
In den 90ern bekam die Stadt schließlich eine EU-Förderung für eine Revitalisierung der Stadtbahnbögen – viele Party-Lokale wurden errichtet, die vor allem ein neues, junges Publikum anzogen. Ob in diesem Habitat ein gehobener Club überleben kann, wird sich erst zeigen. „Cella Vie“ wird sich ab 30. September darin versuchen.
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