"Die Gräfin": Kassenschlager und Kultlokal

Das bei Nachtschwärmern beliebte Lokal „Die Gräfin am Naschmarkt“ auf der Linken Wienzeile 14 bleibt für immer geschlossen.
Benannt nach einem Musical, weltberühmt für schlechtes Essen.

Das Musical "Die Gräfin vom Naschmarkt" wurde im Jahre 1978 im Theater an der Wien uraufgeführt. Das heutige Opernhaus war damals noch ein Musicalhaus – und zwar nicht irgendeines.

Die Linke Wienzeile war bekannt für das Theater. Rudolf Kutschera, Regisseur und Intendant, trug maßgeblich dazu bei, dass Wien zu einer Musical-Metropole wurde. Er brachte die Stücke aus den USA hierher.

"Die Gräfin": Kassenschlager und Kultlokal

Die österreichisch-ungarische Schauspielerin und Sängerin Marika Rökk feiert mit Ensemblemitgliedern und dem Theaterdirektor Rolf Kutschera nach einer Vorstellung "Die Gräfin vom Naschmarkt" ihren 65. Geburtstag.

"Die Gräfin vom Naschmarkt" war eine seiner ersten deutschsprachigen Produktionen. Sie sollte auch außerhalb des Theaters eine Rolle spielen: in dem gleichnamigen Lokal an der Hausnummer 14, in dem jetzt für immer Sperrstunde sein könnte.

Die unteren 10.000

Das Musical schlug jedenfalls ein. Wegen seiner Wiener Note. Marika Rökk spielte die Hauptrolle, auch Harald Serafin und Marika Lichter wirkten mit. Die damals 29-jährige Lichter spielte die Rolle der Dolly. "Es ging im Stück um die unteren 10.000, die so tun, als wären sie reich", sagt Lichter im Gespräch mit dem KURIER. "Unglaublich lustig".

"Die Gräfin": Kassenschlager und Kultlokal

Die Damen aus dem Stück "Die Gräfin vom Naschmarkt"

Die Gräfin vom Naschmarkt mit Gaby Bischof, Sissy Weiner, Ingeborg Knopf-Bousa, Marika Lichter.

"Die Gräfin": Kassenschlager und Kultlokal

"Dolly"

Marika Lichter spielte die Rolle der „Dolly“.

Die Handlung trägt sich am Naschmarkt zu: Sämtliche Standler und Besucher verkleiden sich, damit die Tochter der Horoskopverkäuferin (Marika Rökk) denkt, sie sei eine wohlhabende Dame.

"Die Gräfin": Kassenschlager und Kultlokal

Beim Blick hinein sieht man nur noch den Plastikbaum, der inmitten des Gastraums steht.

Teuer und schlecht

Ob hinter dem gleichnamigen Lokal, nur zwei Häuser weiter, dieselbe Idee steckt? Könnte sein. Immerhin war die "Gräfin" dafür berühmt, zu teures und zu schlechtes Essen zu verkaufen. "Die Theatercrew war zur Eröffnung geladen. Das Lokal wurde nach dem Stück benannt, das ist klar", sagt Lichter. Zu ihrem Stammlokal wurde es jedoch nicht.

Mit den Jahren entwickelte sich die "Gräfin" zu einer Institution für Nachtschwärmer. Geschlossen war das Lokal nur zwischen 2 und 4 Uhr. Es wurde zu einem Ort für Spät-Hungrige und das "Reparaturseidl" – wie das Café Drechsler, das Salz und Pfeffer oder das Goodmans.

Nach und nach häuften sich aber die negativen Rezensionen. Die Plattform Tripadvisor kürte das Lokal zum schlechtesten Wiens. Der TV-Sender Kabel 1 drehte in der "Gräfin" die Sendung "Achtung, Abzocke". Ein kleines Bier kostete 8 Euro, ein Toast ebenso.

Ort zum Wohlfühlen

Jetzt ist die Gräfin zu. "Ein Ort zum Wohlfühlen", steht ironischerweise an der Scheibe. Daneben liest man "Wegen Umbau geschlossen". Beim Blick hinein sieht man nur noch den Plastikbaum, der inmitten des Gastraums steht. Er ist noch mit Kugeln geschmückt. "Kaffee kostete 5 Euro, verrückt", sagt ein Lieferant am Naschmarkt zum KURIER.

Das Lokal hatte 22 Stunden am Tag offen. Die Erlaubnis kam aus Zeiten, als es noch keine Gastro am Markt gab und existierte hauptsächlich für die Verpflegung der Marktarbeiter.

Die Eigentümer haben die Gewerbeberechtigung zurückgelegt. Die Firma ist in Liquidation. Angeblich wurde das Haus verkauft, die "Gräfin" soll eine Ablöse erhalten haben. Glaubt man der Gerüchteküche, so will der Schwiegersohn der Inhaber das Lokal retten.

Kommentare