Ku(h)linarische Kettenreaktion: Wiens bester Burger zu Gast im Dogenhof
Bei einer Kettenreaktion ist ein Produkt einer Einzelreaktion das Ausgangsprodukt für eine Folgereaktion. Die Reaktionskette kann linear oder verzweigt sein. Die gastronomische Kettenreaktion, die gerade in Wien im Gange ist, verläuft eher verzweigt. Und österreichische Kühe, die spielen darin eine wesentliche Rolle.
Die Kette beginnt in der Gumpendorfer Straße im 6. Bezirk. Vor drei Monaten sorgte das dortige, gerade einmal 20 Quadratmeter messende Lokal XO-Grill für Schlagzeilen. Der Grund: Der „Smashed Burger“, mit dem Fleisch alter Milchkühe aus Oberösterreich und Salzburg – dem sogenannten Xtra-Old-Beef –, zubereitet von den jungen Köchen Timo Ahrens und Valentin Gruber-Kalteis.
Bis zu 280 Burger am Tag
Die Schlange vor dem kleinen Lokal wurde täglich länger. Bis zu 280 Burger verkauften Ahrens und Gruber-Kalteis an guten Tagen. Gastro-Kritiker bezeichneten ihre Erfindung als „den besten Burger Wiens“, Instagrammer fotografierten sich damit.
Neue Bleibe gesucht
Doch es gab auch Probleme – und zwar mit der Lüftung des Lokals. Die Anrainer der Gumpendorfer Straße freuten sich zwar über den Burger-Grill, beschwerten sich aber auch: über die Rauchwolke und den penetranten Geruch.
„Der Riesenandrang hat uns selbst überrascht“, sagt Robert Weishuber, Produzent von XO-Beef. Er liefert das Fleisch an Top-Köche – von Lukas Mraz (Mraz und Sohn) bis hin zu Max Stiegl (Gut Purbach). Und er beliefert auch den Dogenhof in der Praterstraße im 2. Bezirk. Dieser Umstand sollte die temporäre Rettung von XO-Grill werden.
Erst vor einem Jahr wurde der Dogenhof neu übernommen – vom Gastronomen Simon Steiner, der unter anderem das Lokal Heuer am Karlsplatz aufbaute. Er war es auch, der die Idee hatte, dem XO-Burger vorübergehend eine neue Bleibe zu geben. Eine Art Pop-up-Küche, bis der Dogenhof nach dem Gastro-Lockdown wieder aufsperren darf.
Gestern, Mittwoch, wurden dort die ersten Gäste begrüßt – selbstverständlich nur an einer Take-away-Station. Gegrillt werden die Laberln für die Burger, zum Feuer-Konzept des Dogenhofs passend, über der Kohlenglut. Ein Schlosser hat dafür extra eine Grillplatte angefertigt. Mit einem Thermometer wird die Temperatur der Platte – 280 Grad braucht es mindestens – gemessen. Am alten Standort wurde das Fleisch mit elektrischer Hitze gegart.
Restlküche
Während sich Gruber-Kalteis und das XO-Team am neuen Standort einleben, schielt das Dogenhof-Team um Steiner unterdessen auf die gegenüberliegende Seite der Praterstraße. Ein neues Lokal im eigenen Haus macht offenbar Lust auf ein eigenes neues Lokal – Stichwort Kettenreaktion.
Neben der Kirche, an der Hausnummer 45, plant Steiner ein neues Projekt. Früher befand sich dort eine Libro-Filiale. Jetzt steht das Geschäftslokal leer. Doch das soll nicht mehr lange so sein: Noch heuer will Steiner hier ein neues Lokal aufsperren, eine Mischung aus Wirtshaus und Fleischerei.
Fleischerei und Wirtshaus nebenan
Nach einem Namen und den passenden Fliesen wird noch gesucht. Fest steht, dass das Lokal einzigartig sein soll. Zu viel darüber verraten will Steiner noch nicht. So viel sei aber gesagt: Im neuen Lokal wird es auch um Kühe gehen. Und um Nachhaltigkeit und komplette Verwertung. „Man kann nicht jeden Tag ein Steak essen. Bei einer Kuh ist eben mehr daran. Darum geht es uns“, sagt Dogenhof-Co-Inhaber Mile Palikukovski.
Das Ziel ist, alle Teile eines Rinds, Schweins oder Huhns zu verwerten: „Meine Eltern gehen jeden Donnerstag zum Fleischer und holen die Reste für die Hunde. Nichts wird also weggeworfen. Darum soll es gehen“, sagt Steiner. Daher sei auch eine Fleischerei in das neue Lokal integriert.
Bewusste Fleischeslust
In Zeiten, in denen vegane Ernährung im Trend liegt, erscheint ein derartiger Ansatz mutig. Steiner und sein Team haben sich für Fleischeslust entschieden – aber eben für eine bewusste. Einrichten wird das Lokal ein Architekt, der lange in London lebte. Und einen großen Schanigarten soll es geben.
Bio-Weine und regionale Lieferanten
Warum man in Zeiten einer globalen Pandemie und wirtschaftlicher Unsicherheit einen derartigen Schritt wagt? Wie man am Dogenhof sehe, funktioniere der eingeschlagene Weg mit regionalen Lieferanten und Bio-Weinen, sagt Steiner. Nicht zuletzt sei man über diese Schiene auch zur Burger-Kooperation mit XO-Grill gekommen.
Sandwiches statt Burger
In der Gumpendorfer Straße ist zwar der Griller, aber nicht der Herd aus: Koch Ahrens steht nach wie vor in dem Laden und verarbeitet Milchkuh-Fleisch. Etwa zu Beef Rendang – einem indonesischen Curry-Fleisch – im Pita-Brot oder zu Kimchi-Reuben-Sandwich mit Pastrami. Laberl will man hier nicht mehr braten: Derzeit suchen die beiden Köche fieberhaft nach einem neuen, fixen Burger-Lokal.
Die gastronomische Kettenreaktion, die hat eben viele Zweige.
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