Neuer Wiener Straßenbahn-Chef: "Falschparker stören mich jetzt weniger"
Die Wiener Straßenbahnen waren in den vergangenen Jahren immer wieder Mittelpunkt von Diskussionen. Zuletzt aufgrund des Personalmangels und den verlängerten Intervallen.
Seit 1. Dezember hat das sechstgrößte Tramnetz der Welt einen neuen Verantwortlichen.
Ein Gespräch über Vergangenheit und Zukunft mit dem neuen Straßenbahn-Chef Johannes Yezbek.
KURIER: Warum arbeiten Sie bei der Straßenbahn ?
Johannes Yezbek: Ich habe ursprünglich nicht unbedingt auf die Straßenbahn gespitzt. Ich habe aber Planung studiert und wollte schon immer wissen, wie man das Geplante im Betrieb umsetzt. Deshalb bin ich auch von Anfang an selbst gefahren. Und jetzt bin ich sehr happy bei den Straßenbahnen. Schließlich prägen sie das Wiener Stadtbild, zumindest bildlich, am meisten. Das Fahren will ich mir auch beibehalten. Man lernt bei jedem Mal irre viel. Das möchte ich auch meinen Mitarbeitern mitgeben. Wenn man bei uns, egal in welcher Tätigkeit, arbeitet, muss man wissen, worum es geht.
Sind Sie schon auf jeder Linie gefahren?
Fast. Zu Silvester kann ich den 62er von der Liste streichen. An dem Abend besteht ein Mehrbedarf an Fahrern. Außerdem ist es zu Silvester immer lustig. Es gibt viele Umleitungen, das stört die Gäste aber nicht. Man macht Durchsagen und alle feiern das.
Ihre Hauptaufgabe als Straßenbahn-Chef liegt aber anderswo.
Mein Team und ich sind dafür zuständig, dass die Straßenbahn pünktlich und sicher kommt. Wir sind für die Fahrplangestaltung, das Fahren und die Umsetzung der Fahrpläne verantwortlich. Wir schaffen das Arbeitsumfeld, in dem unsere Fahrer ihren Job machen können. Wir hinterfragen also, ob alle unsere Kollegen gut informiert sind und nehmen die Rückmeldungen auf.
Johannes Yezbek
Der gebürtige Wiener Johannes Yezbek ist seit Anfang Dezember der neue Straßenbahn-Chef der Wiener Linien. Damit hat er die Leitung über die rund 1.500 Straßenbahnfahrer übernommen
Studium
Der 37-Jährige hat „Umwelt- und Bioressourcenmanagement“ im Bachelor sowie „Raumplanung“ mit Schwerpunkt Verkehrsplanung im Master an der TU studiert
Karriere
Bei den Wiener Linien hat Yezbek im Jahr 2013 als Praktikant im Straßenbahnbetrieb begonnen. Seitdem fährt er auch selbst Straßenbahn. Danach war er unter anderem Bahnhofsleiter in Favoriten und Simmering. Im Juli 2023 übernahm er dann die interimistische Leitung des
Straßenbahnbetriebes
Fehlendes Personal hat vergangenen Winter zu verlängerten Intervallen geführt. Wie will man das in Zukunft vermeiden?
Die Suche nach Personal wird uns langfristig begleiten. Dafür haben wir die Recruiting-Maßnahmen sowie die Ausbildner aufgestockt. Dass das funktioniert, zeigt sich daran, dass unsere Schulplätze für die kommenden Monate voll sind. Außerdem arbeiten wir laufend daran, den Fahrdienst zu attraktivieren.
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Dafür soll bis 2028 die Vollzeitarbeitszeit nur noch 35 Stunden betragen. Ist das realistisch?
Wenn wir so weitermachen wie bis jetzt, dann wird das eine schöne Sache. Es ist mir wichtig, dass der Dienstplan auch die Wünsche der Fahrer abbildet. Wenn wir in unsere Mitarbeiter investieren, investieren wir dadurch auch in unseren Fahr- und Dienstplan. Im Endeffekt kommt das dann beim Fahrgast an, weil wir dann dichter und pünktlicher fahren können.
Künftig wird es aber mehr Personal brauchen. Wie viel?
Derzeit sind es 1.500 Mitarbeiter, mit denen wir den aktuellen Fahrplan gut absolvieren. Aber ja, wir werden mehr Personal brauchen, weil wir vor einem Generationenwechsel stehen, dichter und auch weiter an den Stadtrand fahren werden. Wie viel, ist davon abhängig, wann welche Linie eröffnet wird. Bis 2031 rechnen wir mit 7.000 Mitarbeitern in allen Bereichen. Drei Viertel des Personals, das in zehn Jahren für die Wiener Linien arbeiten soll, ist derzeit noch nicht im Unternehmen.
Die Unterbrecherdienste, bei denen es während der Schicht eine mehrstündige Pause gibt, sollten bis Ende 2023 um ein Drittel reduziert werden. Ist das gelungen?
Mit dem neuen Fahrplan vom Herbst haben wir alle Dienstpläne neu gemacht. Seitdem haben wir ein Drittel weniger Unterbrecherdienste. Gelungen ist das durch geschickte Planung des Fahrplans. Etwa wenn man entscheidet, wo ein Fahrzeug eingezogen wird. Ein paar weitere Unterbrecherdienste möchte ich noch abschaffen. Da möchte ich aber genau darauf schauen, was gewünscht wird. Manche Fahrer mögen diese Dienste.
Im Herbst wurde eine Bedarfsanalyse durchgeführt. Warum verändert sich die Frequenz auf den Linien?
Wir haben ein eigenes Team, das sich damit beschäftigt. Meine Aufgabe ist es, die Ergebnisse in den Fahrplan zu übersetzen. Wir haben aber gemerkt, dass sich die klassischen Arbeitswege verändert haben. Seit Corona haben sich die Spitzen mehr verteilt. Viele arbeiten jetzt im Homeoffice. Dazu kommt, dass die neuen Fahrzeuge mehr Platz bieten.
2002 wurden laut Wiener Linien 70 Prozent der Ampeln von den Öffis beeinflusst. Wie sieht das jetzt aus?
Uns ärgert das Gleiche, was die Fahrgäste ärgert. Nämlich alles, was den Betrieb negativ beeinflusst. Dazu gehört auch die Ampel, die nicht richtig schaltet. Derzeit werden 75 Prozent der Ampeln vom öffentlichen Verkehr beeinflusst. Jede Ampel, bei der die Öffis Vorrang haben, macht den öffentlichen Verkehr attraktiver. Wir werden uns daher weiterhin für Beschleunigungsmaßnahmen einsetzen.
Im Sommer wurden die Strafen für Falschparker auf 365 Euro verdoppelt. Hat sich seitdem etwas verändert?
Der Zeitraum ist noch zu kurz, um Bilanz zu ziehen. Dafür müsste man sich die Daten in ein paar Monaten ansehen. Ich bin aber schon selbst gefahren und hatte dabei fast einen Falschparker. Und da dachte ich mir: Jetzt ärgert es mich weniger.
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Warum sollte jemand Straßenbahnfahrer werden?
Wir fahren für die gute Sache und es kann richtig Spaß machen. Es gibt einen gewissen Gaming-Faktor, wenn man versucht, schön durch den Verkehr zu kommen. Es ist aber auch ein verantwortungsvoller Beruf, bei dem man sich ständig konzentrieren muss und viel Kontakt mit Fahrgästen hat. Das darf man nicht kleinreden.
Welches Straßenbahn-Modell ist Ihr liebstes?
Der Flexity (das neueste Modell, Anm.) war mein Baby. Ich habe mich schon Jahre vor der Einführung damit beschäftigt.
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