Eine zweite Heimat
Hauptsächlich sind es Stammkundinnen und -kunden, die ins „Süße Eck“ kommen. Das Buffet in der Volksoper beliefen die Kornherrs mit eigens abgefüllten Bonbonsackerln, zusätzlich gibt es den Onlineshop. „Außerdem ist unten das WUK, da kommt auch jüngere Kundschaft. Wir haben hier wirklich einen super Mix, dafür kaum Touristen“, erzählt Michael Kornherr.
Doch das stört das Ehepaar überhaupt nicht. Schließlich konnten sie so auch, wie sie es nennen, „ausgefranste Produkte“ ins Sortiment aufnehmen.
So wie etwa das breite Lakritzangebot, darunter Salmiaklakritz, italienisches pures Lakritz oder geräuchert-gesalzenes Lakritz aus Malmö für Experimentierfreudige. „Das sind Produkte, mit denen man sich auseinandersetzen muss, da muss man die Geschichte kennen – und man muss auch hinter jedem einzelnen Produkt stehen können. Ich möchte nichts mit einem schlechten Gewissen verkaufen müssen“, sagt Gabriele Kornherr.
Aufhören, wenn es am Schönsten ist
Die Liebe zu ihrer Arbeit ist beiden deutlich anzumerken: „Es gibt nichts Schöneres als Menschen, die gestresst hereinkommen, mit einem Lächeln zu entlassen. Denn es gibt niemanden, der nascht und nicht lächelt.“ Das „Süße Eck“ sei für sie eine zweite Heimat, sagen die beiden Kornherrs, jeden Tag gingen sie nur von einem Zuhause zum anderen. Und auch das Geschäft laufe gut.
Warum also aufhören? „Es geht uns beiden gut“, sagt Michael Kornherr, „aber wir wissen ja nicht, wie lange noch. Jedes Jahr, das wir im Geschäft verbringen, ist zwar noch immer ein gutes, aber wir wollen trotzdem frei sein für neue Horizonte – und unsere Tage ohne Stress verbringen. Wir gehen ganz ohne Gram.“
Sie könnte „locker“ noch fünf Jahre arbeiten, sagt auch Gabriele Kornherr, aber dann sei sie nun mal fünf Jahre älter – und stehe vor derselben Aufgabe. „Es ist ja ein größeres Projekt, wir geben auch unsere Wiener Wohnung auf und ziehen nach Niederösterreich“, sagt sie. „Und irgendwann verpasst man den Zeitpunkt, an dem man mit der Pension wirklich noch etwas anfangen kann.“ Darum sei es nun Zeit für diesen Schritt.
Die unsichtbare Arbeit
Eines wurde den beiden jedenfalls schnell klar: An Interessentinnen und Interessenten mangelt es nicht. Doch diesen – bisher ausschließlich fachfremden – Menschen fehlt wiederum oft der Blick für das große Ganze. „Viele übersehen, was es wirklich bedeutet, so ein Geschäft zu führen. Eh logisch, die Arbeit, die dahinter steckt, ist unsichtbar“, sagt Gabriele Kornherr.
So bedarf es zum Beispiel einer genauen logistischen Planung, das Geschäft immer gut gefüllt zu halten und gleichzeitig darauf zu achten, dass keine Ware abläuft. Und auch die Schoko-Nikolostiefel und Zellophansackerl füllen sich nicht von selber – das machen die Menschen im „Süßen Eck“ in Eigenregie.
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„Aber so, wie wir das Geschäft führen, ist es ja nicht der einzige Weg. Wenn es jemand ganz anders aufziehen will, dann ist das für uns auch in Ordnung“, sagen die Betreiber. Die Nachbesitzer müssten eben, so wie die Kornherrs auch, dem Geschäft ihren persönlichen Stempel aufdrücken.
Bis Ende Jänner wollen die beiden die Suche nach einem Nachfolger abgeschlossen haben. Und wenn sich bis dahin niemand findet? „Dann kann jeder ein Stück vom ‚Süßen Eck‘ haben“, sagt Michael Kornherr, dann werde das Geschäft komplett aufgelöst. Und Wien wäre ein ganzes Eck weniger süß.
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