Zuckerlmatriarchat
Erst 22 Jahre alt war Michaela Rosenauer (geb. Dürnberger), als sie Anfang der 2000er-Jahre das Geschäft von der Vorbesitzerin Editha Breithuber übernahm. Deren Mutter Rosa hatte das Geschäft Anfang der 1930er-Jahre alleine aufgebaut und geführt, bis ihre Töchter die Nachfolge antraten. „Bonbons Neubaugasse“ war also von Anfang an bis heute fest in Frauenhand.
Im Geschäft selbst hat sich nur wenig verändert – eine bewusste Entscheidung Rosenauers. Die rot-gold gemusterte Tapete an den Wänden und der Decke stammt noch aus den 50er-Jahren. Die mintgrün lackierten Regale und Vitrinen sind noch älter, aus einer Zeit vor den Breithubers. „Das sind alles Vollholzmöbel, etwas Besseres gibt es nicht. Vor Weihnachten ist die Ware bis zur Decke geschlichtet, so ein Regal muss man erst einmal finden, das dieses Gewicht aushält.“
Dass für ihre Kundschaft im Geschäft die Zeit stehen bleibt, ist Rosenauer wichtig: „Die Renovierungen dürfen nicht zu sehr auffallen.“ Ihre größte Sorge, als im Sommer die Regale frisch lackiert wurden: Dass die frische Farbe den klassischen Zuckerlgeschäft-Duft überdecken würde. Doch die Sorge war umsonst.
Es bleibt in der Familie
Doch nicht nur das Zuckerlgeschäft kann auf eine lange Geschichte zurückblicken, auch die Familie Dürnberger widmet sich dem süßen Handwerk schon seit drei Generationen. Mit Rumpastillen fing alles an. Die hat einst Großvater Alois, ein gelernter Konditor, nach dem Zweiten Weltkrieg in der eigenen Wohnung hergestellt – sehr zum Ärger der Großmutter, denn „das staubt ganz fürchterlich“.
Jahrelang verkaufte er die mit Schokolade überzogenen Zuckerln im Bauchladen bei verschiedenen Heurigen. Bis er ein ehemaliges Wirtshaus in der Meidlinger Tivoligasse zur Produktionsstätte umbaute.
Dort werkt heute Michaelas Bruder Daniel, der das Familienunternehmen „Jonny Schokolade“ in dritter Generation führt. Zwei- bis dreimal pro Woche beliefert er seine Schwester im Zuckerlgeschäft mit Orangetten, Schichtnougat oder Likörmarillen. Produziert und verkauft wird nur in Wien, verwendet wird reine Kakaobutter und kein Palmfett. „Dazu das gute Handwerk – das merkt man dann auch am Geschmack“, sagt Daniel stolz.
Vier bis fünf klassische Zuckerlgeschäfte, in denen man vom Kaugummi bis zum Maroniherz alles bekommt, gibt es noch in Wien, schätzt Michaela Rosenauer. So viel Geschichte zu bewahren und lebendig zu halten, ist eine große Verantwortung.
Und eine ehrenvolle: „Es geht ja nicht um mich, sondern um das Geschäft. Deshalb heißt es ja auch einfach nur ,Bonbons‘. Wir sind ersetzbar, das Lokal, die Einrichtung, der Geruch, das kann man nicht ersetzen, das macht es aus. Aber ich bin jetzt auch ein Teil seiner Geschichte.“
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