Der 5. Dezember 2018 hat das Leben des jungen Mannes auf den Kopf gestellt. Magomed A. war an diesem Vormittag allein in der Gemeindebauwohnung in der Döblinger Hauptstraße. Er machte sich gerade für die Schule fertig, als er Gas roch. Er rief seine Mutter an, erzählte ihr davon. „Raus aus der Wohnung!“, schrie sie. Magomed A. schaffte es nicht mehr rechtzeitig.
„In dem Moment war ich voll mit Adrenalin“, erzählt der mittlerweile 20-Jährige. Vier Monate verbrachte Magomed A. im AKH, zwei davon im künstlichen Tiefschlaf. 51 Prozent seiner Haut waren verbrannt.
27 Mal ist er seither operiert worden, weitere Eingriffe werden folgen. Den Alltag kann er ohne Hilfe der Mutter nicht mehr bewältigen. Speziell bei der Körperhygiene ist er auf ihre Hilfe angewiesen. Essen und Zähne putzen kann er nach einer Reha wieder selbst. „Ich bin jetzt Linkshänder, die rechte Hand kann ich nicht mehr benützen“, erklärt er. Seinen Wunschberuf wird er nie ausführen können. Magomed A. besuchte eine HTL, machte die Ausbildung zum Mechatroniker. „Aber dazu brauche ich Feingefühl in den Fingern.“
Die Ursache für die Gasexplosion hat mittlerweile ein Sachverständiger geklärt. „Die Muffenverbindung war zum Zeitpunkt der Errichtung des Hauses mangelhaft hergestellt worden“, heißt es im Gutachten. Statt der üblichen drei Drehungen gab es nur eine halbe Drehung.
Jahrzehnte lang fiel das nicht auf. Doch zum Zeitpunkt der Explosion fanden in dem Haus Renovierungsarbeiten statt. Die Vibration löste die schlecht verbundenen Rohre, Gas strömte aus.
„Die Chuzpe ist jetzt, dass Wiener Wohnen meint, die Sache sei verjährt. Weil die fehlerhaften Arbeiten in den 1950er-Jahren stattgefunden haben“, ärgert sich Anwalt Rifaat. Zudem hätte die arbeitende Firma erkennen müssen, dass ein spezielles Leitungssystem installiert ist und die Wohnung gasfrei stellen müssen. „Das ist ein unglaublicher Zynismus.“
Das konkret genannte Gasleitungssystem (Twaroch, Anm.) wird ausschließlich in Gemeindebauten verwendet. Die Leitungen befinden sich unter dem Estrich, eine Kontrolle sei daher nicht möglich, sagt Rifaat. „Das bedeutet, dass alle Mieter von Gemeindebauwohnungen mutmaßlich auf einem Pulverfass sitzen. So etwas kann wieder passieren.“
„Wir bedauern den tragischen Vorfall zutiefst. Aber es handelt sich um einen Einzelfall. Rückschlüsse über den Zustand von Gasleitungen sind rein spekulativ und unzulässig“, wird bei Wiener Wohnen betont.
Im konkreten Fall wurde die Gasleitung durch ein konzessioniertes Installationsunternehmen installiert. „Auch die Arbeiten, die die Explosion ausgelöst haben, wurden nicht von Wiener Wohnen durchgeführt“, heißt es. „Uns trifft kein Verschulden.“ Ein Strafverfahren wurde bereits eingestellt.
Vor Gericht geht es unter anderem um die Langzeitfolgen, die auf Magomed A. zukommen. Insgesamt wurden 272.000 Euro eingeklagt.
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