Mozzarella und Burrata: Das weiße Gold vom Alsergrund

In einem Feinkostgeschäft zeigt ein Verkäufer einer Kundin mit Maske auf die Käsetheke.
Zwei Brüder aus Apulien haben in Wien eine Bar mit ausschließlich italienischem Käse aufgemacht.

Italiener, die im Ausland leben, freuen sich beim Verwandtenbesuch nicht nur auf den Besuch. Oft haben die Besucher nämlich das weiße Gold im Gepäck.

Es handelt sich hier nicht um Salz, sondern um Mozzarella, Burrata oder Scamorza (Filata-Käsetypen). Denn auch, wenn es italienische Käseprodukte mittlerweile im Supermarkt gibt, so können sie nie so frisch und gut sein, wie vom Casaro (Käser) des Vertrauens.

Casaro vor Ort

Dieses Dilemma kennen auch die Valentino-Brüder Pasquale (42) und Gianni (31). Sie leben seit 12 Jahren in Wien und haben jetzt eine Lösung gefunden: Sie haben den Casaro, in dem Fall ist es Nicola Andriola (62), einfach aus dem Heimatort Santeramo in Colle (neben Altamura und Matera) hergeholt.

Mitten am Alsergrund (9., Alser Straße 36) haben sie die Käserei „Fratelli Valentino“ aufgemacht und verkaufen frische Produkte an der Theke zum Mitnehmen oder bieten Verkostungsplatten als Aperitivo (kleine Platte 17 Euro/ große Platte 29 Euro) mit süditalienischen Weinen (von Primitivo bis Falanghina) und Cocktails wie Negroni an.

Ein Mann formt in einer Küche Teig, während eine Frau am Waschbecken steht.

Il casaro

Nicola Andriola und Roberta Marrone sind extra für die Käseproduktion am Alsergrund aus Apulien nach Wien gezogen. Sie machen im Hinterzimmer der "Fratelli Valentino" italienischen Käse.

In einer Küche formt eine Person Mozzarella, während eine andere zusieht.

Weißes Gold

In Italien nennt man Mozzarella manchmal auch weißes Gold. 

Ein Mann formt mit seinen Händen einen Mozzarella-Käse.

Handarbeit

Mozzarella, Burrata oder Scamorza sind Filata-Käsetypen. Hier wird Scamorza geformt.

Ein Mann formt einen birnenförmigen Käse in seinen Händen.

Die Kunst des Formens

„Mein Vater transportierte Milch, schon als Kind war ich bei der Käse-Produktion dabei“, sagt  Andriola, während er den Käse am Alsergrund formt. 

Ein lächelnder Mann mit Haarnetz formt einen Teig in seinen Händen.

Erfahrung macht den Meister

Nicola kann nicht nur Treccie (Zöpfe) und Nodini (kleine Knoten) formen.

Ein Mann zieht mit einem Holzstab einen langen Strang Mozzarella in die Länge.

Mozzare

Mozzare beschreibt das Abtrennen kleinerer Stücke von der Käsemasse.

Ein Bäcker mit Haarnetz bearbeitet einen großen Teigklumpen in einer Bäckerei.

Dass die beiden aus der Slow-Food- und Trendregion Apulien kommen, ist von Vorteil: Madonna feiert hier nicht grundlos immer wieder ihren Geburtstag, auch Angelina Jolie möchte sich dort ein Haus kaufen. Und auch wenn es nicht gut fürs Klima ist, so lassen sich Manager aus Italien oft nur für ein Mittagessen in die Region einfliegen. Denn die Produkte von Burrata und Stracciatella (Sonderform von Mozzarella mit flüssigem Kern) bis Tomaten und Taralli (runde Grissini) zählen zu den besten des Landes.

Null-Kilometer-Genuss

Man achtet in der Region auf „Chilometro 0“. Das heißt, man isst, was in der Umgebung produziert wird. „Mein Vater transportierte Milch, schon als Kind war ich bei der Käse-Produktion dabei“, sagt Andriola, während er den Käse am Alsergrund formt. Als Basis für den Käse wird die Milch aus Laab im Walde, Bezirk Mödling, genommen. In Italien gilt der Büffelmozzarella, mit der Milch von Wasserbüffeln, als echter Mozzarella. Die Wasserbüffel gibt es hier aber nicht, also wird eben mit einer Alternative aus der Umgebung gearbeitet. Die Milch wird auf 40 Grad erhitzt. Dann beginnt die Aufsäuerung. Dann kommt das Enzym Lab hinzu. Dadurch spalten sich die Proteine und die Milch wird fest.

Es ist ein mikrobiologischer Prozess: Der Käse wird gestückelt, kleingehobelt und dann mit 90 Grad heißem Wasser wieder verschmolzen. Dann muss der Käser schnell sein und die richtige Form abtrennen und formen – also mozzare. Nicola kann Trecce (Zöpfe) und Nodini (kleine Knoten) formen.

Drei Personen mit Haarnetzen und Schürzen arbeiten in einer Küche.

Milch aus Mödling

Als Basis für den Käse wird die Milch Laab im Walde aus Mödling genommen.  

Ein Mann mit Haarnetz und Schürze steht in einer Käserei.

Mozzarella ohne Büffelmilch

In Italien gilt der Büffelmozzarella, mit der Milch von Wasserbüffeln, als echter Mozzarella. Die Wasserbüffel gibt es hier aber nicht, also wird eben mit einer Alternative aus der Umgebung gearbeitet. 

Ein Ricotta-Käse mit Pistazien in einer Plastikform.

Primo Sale mit Pistazie

Der Käse ist angenehm mild im Geschmack und wird in Süditalien genauso gern als Vorspeise wie am Ende einer Mahlzeit serviert.

Ein Holzspatel liegt auf einer Masse aus hellem Käse.

Ricotta der Mafia-Käse

Ricotta ist vor allem durch den Mafiaboss Bernardo Provenzano berühmt geworden. Der Käse soll die Lieblingsspeise von Provenzano gewesen sein. Er war das echte Vorbild des Mafia-Filmes "Der Pate".

Eine Person hält einen Zopf aus Mozzarella in der Hand.

Treccia

Der Zopf ist eine beliebte, aber nicht einfache Form des Käses.

Eine Person rührt mit einem Holzstab in einem Topf mit weißer Flüssigkeit und hält einen Messbecher.

Das Enzym Lab

Das Enzym Lab  bewirkt, dass sich die Proteine spalten und die Milch wird fest.

Außerdem produziert er Scamorza (Birnenform) in 2,5 Stunden – auch in Form von kleinen Schweinchen; Stracciatella (Füllung von Burrata) in einer halben, Primo Sale (sizilianischer Hartkäse) in einer und Taleggio in einer Stunde. Der Taleggio (norditalienischer Weichkäse) muss dann noch 15 Tage reifen.

Gereift ist der ältere Bruder Pasquale auch in seinen vergangenen Jobs: Er studierte Architektur in London und kam der Liebe wegen nach Wien. Er arbeitete als Ausstatter für Bankfilialen oder auch als Controller, bevor er verstand, dass sein Herz der italienischen Kulinarik gehört.

Focaccia mit Italianità

Wenn er jetzt hinter der Theke steht und mit Charisma und Italianità seinen Gästen erklärt, welcher Käse wie gemacht wird, hat er sich wohl richtig entschieden. Der jüngere Bruder, Gianni, der als Pizzaiolo in bekannten Pizzerien gearbeitet hatte und zuletzt bei den neapolitanischen Brüdern im Monte Ofelio im 2. Bezirk für Stimmung gesorgt hat, mixt nebenbei die Cocktails und bereitet die frische Focaccia (3,20 Euro pro Stück) zu. Natürlich kommen die Besucher auch, um etwas vom italienischen Lebensgefühl zu spüren. Gäste werden wie Freunde behandelt, ganz so wie im pugliesischen Kaff.

In einem Feinkostgeschäft zeigt ein Verkäufer einer Kundin mit Maske auf die Käsetheke.

Italianità

Im Hinterzimmer produziert  Nicola Andriola weißes Gold. An der Theke wird es von den Fratelli-Brüdern mit Italianità verkauft.

In einer Bar unterhalten sich drei Personen bei einem Glas Wein.

Weine aus Süditalen

Dazu können Besucher Weine aus Süditalien verkosten

Eine Platte mit verschiedenen Käsesorten, Tomaten und eingelegtem Gemüse wird präsentiert.

Buon Formaggio

Verkostungsplatten als Aperitif (kleine Platte 17 Euro/ große Platte 29 Euro) 

Ein Mann mit Handschuhen formt einen Teigfladen auf einem Blech.

Focaccia

Der jüngere Bruder Gianni hat als Pizzaiolo in bekannten Pizzerien gearbeitet. Zuletzt sorgte er bei den neapolitanischen Brüdern im Monte Ofelio im 2. Bezirk für Stimmung. Seine Spezializäz:  die frische Focaccia (3,20 Euro pro Stück).

Das Restaurant „Fratelli Valentino“ an einer Straßenecke in Wien.

Die Musik des Käsers

Früher war das Ecklokal ein Musikladen. Heute spielt hier der Käse die erste Geige.

Zwei lachende Männer stehen vor einem Schaufenster.

Pasquale und Gianni

Die Brüder haben sich einen Traum erfüllt und ein wenig Apulien nach Wien gebracht.

Trotz der Freundschaft bleibt man kulinarisch gesehen streng: „Wenn jemand nach Öl oder Balsamico-Essig fragt, schicken wir ihn weg“, sagt Pasquale mit Grinsen. Denn auch wenn Italiener als regelloses Volk gelten, gibt es beim Essen unglaublich viele Regeln. Dazu gehört, dass man guten Käse ohne Öl genießt. Auf den Aperitivo-Platten kann man also kulinarisch dazulernen. Und sich schließlich auch bereichern, indem man ein paar Kilo weißes Gold (35 Euro pro Kilo Nodini, 35,50 Euro pro Kilo Scamorza; 37 Euro pro Kilo Burrata) den Verwandten mit nach Hause bringt.

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