"Herr Richter, ich habe keinen gemordet": Freispruch in Mordprozess nach 15 Jahren
Omar B. redet viel. Es sprudelt nur so aus ihm heraus. Selbst der vorsitzende Richter Thomas Etl kann ihn am Dienstag nicht stoppen: "Herr Richter, bitte. Lassen Sie mich ausreden!" Umfangreich beschwert sich der 47-jährige über das Sozialsystem in Österreich. Dass er 2000 als Flüchtling kam, sein Asylantrag aber abgelehnt wurde und er heimgeschickt werden sollte. Fortan lebte er als U-Boot unter falschem Namen in Wien. "Ich habe keine Hilfe bekommen, auf der Straße gelebt. Wissen Sie, wie kalt es in Österreich ist?"
Im Dezember 2008 verließ er Wien. Doch laut Staatsanwalt war nicht der kalte Winter der Grund dafür. Unmittelbar davor war ein Landsmann erschossen am Treppelweg nahe der Reichsbrücke aufgefunden worden, Der Mann war nach einem Schuss ins Knie verblutet.
Internationale Fahndung
Wer für die Tat in Frage kommt? Freunde des Opfers nannten immer wieder einen Namen: Omar B. Der habe schon im Vorfeld damit gedroht, dem 38-jährigen Landsmann eine Lektion erteilen zu wollen. Doch der war auf einmal verschwunden. Seither wurde nach dem Mann international gefahndet.
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15 Jahre lang dauerte es, dann kam der Anruf bei der Wiener Polizei: Der Gesuchte war in Stockholm, Schweden, wegen Diebstahls und Betrugs festgenommen worden. Beim Abgleich der Fingerabdrücke gab es schließlich einen Treffer. Der Mann wurde ausgeliefert.
"Das ist ein ungewöhnlicher Prozess", sagt der Staatsanwalt. "Zum einen ist die Tat 15 Jahre her. Es gibt keinen eindeutigen Beweis. Aber viele Indizien."
Opfer auf Parkbank entdeckt
Ein Lkw-Fahrer hatte den toten Obdachlosen damals gefunden. Er kniete an einer Parkbank. "Die Ermittler fanden eine 20 Meter lange Blutspur, die zum offensichtlichen Tatort führte. Dort fanden sich zwei Patronenhülsen und eine Schere."
Die Schusswaffe, vermutlich eine jugoslawische Pistole wurde nie gefunden. DNA fand sich weder auf den Hülsen noch auf der Schere. Und dennoch ist der Ankläger sicher, den Mörder des 38-Jährigen vor sich zu haben.
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"Nachdem ein Foto des Opfers in den Medien veröffentlicht worden ist, haben wir drei anonyme Hinweise bekommen. Alle nannten Omar B. Zuvor hat es Streit zwischen den beiden Männern gegeben und die Drohung: Wenn ich ihn finde, werde ich ihn umbringen!" Auch Freunde bestätigten das.
Omar B. habe das Opfer für eine angebliche Aussprache zum Treppelweg gelockt, ist er sicher. Neun mal rief der Obdachlose an diesem Abend einen "Omar" am Handy an.
Omar oder Franz
Doch das will nicht der Angeklagte sein. "Omar ist ein häufiger Name. So wie Hans, Franz oder Robert." Doch Bekannte bestätigten, dass es sich um die Nummer des Angeklagten handelt.
Dass er ausgerechnet nach dem Mord Österreich verließ, sei purer Zufall gewesen. "Ich wollte weg. Habe die SIM-Karte meines Handys zerstört - ich wollte keinen Kontakt mehr." Der Weg führte ihn nach Italien, Frankreich und Spanien. Zwischenzeitlich befand er sich auch zwei Mal in Tunesien. Nach Schweden sei er nur zu Besuch gekommen."
Wie das geht? Mit gefälschten Papieren und einem neuen Ausweis.
"Herr Richter, ich habe keinen gemordet", sagt der Angeklagte. Warum dann alle ihn als Täter nennen? "Was weiß ich das? Ich wusste ja nicht einmal, dass er tot ist."
Am Ende überwiegen die Zweifel bei den Geschworenen. Der Angeklagte wird einstimmig freigesprochen. Das Urteil ist rechtskräftig.
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