Mindestsicherung: Wien gerät in Erklärungsnot

Massive Missstände in Wien
Prüfer kritisieren verschollene Akten, Anträge ohne Ausweiskontrolle und keine Strategie gegen steigende Kosten.

Erst seit wenigen Wochen im Amt, muss sich Sozialstadträtin Sandra Frauenberger (SPÖ) um eine gewaltige Altlast kümmern, die ihr ihre Vorgängerin Sonja Wehsely hinterlassen hat. Wie berichtet, ortet der Rechnungshof laut einem Rohbericht massive Kontrollmängel bei der Vergabe der Mindestsicherung.

Die Liste der Verfehlungen ist lang: Auch Personen, die bei der Antragstellung keinen Lichtbildausweis vorweisen, bekommen das Sozialgeld ausbezahlt. Die zuständige MA 40 hat nur 63 Prozent der zur Kontrolle vorgeschriebenen Akten intern geprüft, viele waren überhaupt verschollen. Und bei 30.000 Akten (rund 20 Prozent der Fälle) fehlen die Angaben über die Staatsangehörigkeit. Kritisiert wird auch die unterlassene, unvollständige oder verspätete Leistungsüberprüfung der Bezieher.

Ursachenforschung

Im Ressort Frauenberger sucht man nun nach Erklärungen für diese zum Teil fast skurril anmutenden Missstände. Das Fehlen der Nationalität etwa sei "ein reines IT-Problem", sagt ein Sprecher. Sie werde sehr wohl lückenlos erhoben, beim Abgleichen mit dem Zentralen Melderegister könne es aber zu Löschungen kommen. Auch die fehlende Prüfung von Akten begründet man mit "technischen Problemen".

Man werde nach diesen Prüfergebnissen "sicher nicht zur Tagesordnung übergehen. Es kann nicht sein, dass derartige Fehler passieren", betont der Sprecher. Wie die konkreten Maßnahmen aussehen werden, ist aber noch nicht klar. Man müsse erst die Stellungnahme der MA 40 zum Rohbericht abwarten.

Dass die Kosten für die Mindestsicherung von 664 Millionen Euro (2016) bis 2021 auf 1,6 Milliarden Euro ansteigen, wie der Rechnungshof prognostiziert, stellt man indes entschieden in Abrede. "Die Schätzung erfolgte am Höhepunkt der Flüchtlingsbewegung mit der Annahme, dass die Situation sich weiter so entwickelt. Das ist aber nicht der Fall", sagt der Sprecher.

Dennoch stieg die Zahl der Mindestsicherungsbezieher in Wien von 2010 bis 2015 um satte 71 Prozent an.

Besonders auffällig ist der starke Anstieg von Mindestsicherungsbeziehern im arbeitsfähigen Alter (20 bis 59 Jahre) um mehr als 74 Prozent. Das ist zum Teil auch mit der Flüchtlingsbewegung erklärbar, verdreifachte sich doch die Zahl der Asylberechtigten und subsidiär Schutzberechtigten, die Mindestsicherung bekommen.

Der Rechnungshof empfiehlt daher unter anderem mehr Kontrolle bei der Zuweisung der Mindestsicherung. Vor allem aber müsse die MA 40 die Vorschläge der Wiener Strukturreform ehestens umsetzen, um einer drohenden Ausgabenexplosion bei der Mindestsicherung entgegenzuwirken.

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