Vassilakou: "Hätte Sprengkraft des Heumarktprojekts besser einschätzen sollen"

Vassilakou: "Hätte Sprengkraft des Heumarktprojekts besser einschätzen sollen"
Die scheidende Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou zieht Bilanz über ihre wechselvolle Karriere.

Maria Vassilakou über ihre Erfolge, Fehler beim Heumarkt-Projekt und ihre Pläne nach dem Ende ihrer Polit-Laufbahn.

KURIER: „Ich bin bei Euch und Ihr seid in meinem Herzen“, sagte Michael Häupl salbungsvoll bei seinem Abschied. Haben Sie auch schon Abschiedsworte vorbereitet?

Maria Vassilakou: Nein, aber es werden mir sicher welche einfallen. Die letzte Rede hält man nicht aus dem Stand. Sie wird sicher auch sehr emotional.

Was rückblickend ihr größter Erfolg war, beantwortet Vassilakou im Video-Interview:

Abschiedsinterview Vassilakou: "Der größte Erfolg war nicht die Mariahilfer Straße"

Wo haben Sie rückblickend die Lust auf die Politik verloren? Nach den Querelen um das Heumarkt-Projekt?

Das war zweifelsohne das schwierigste Projekt, das ich bewältigen musste. Aber je schwieriger ein Projekt ist, desto mehr Spaß macht es mir. Es wird kolportiert, nicht ich, sondern die SPÖ hätte das Projekt gewollt. Ich finde das frauenfeindlich. Man muss einer Frau schon die Möglichkeit lassen, eine eigene Meinung zu haben und sie auch durchzusetzen – ohne dass hinter ihr ein mächtiger alter Mann steht, der sie dazu zwingt.

Doch wann haben Sie die Lust verloren?

Ich habe sie nie verloren. Ich habe nur für mich immer festgelegt, dass ich diesen Job maximal zehn Jahre lang machen werde und dass ich mich spätestens rund um meinen 50. Geburtstag verändern werde. Ich wollte nie der Methusalem der Wiener Kommunalpolitik werden.

Zurück zum Heumarkt-Projekt: Welche Fehler sind Ihnen dabei passiert?

(denkt lange nach). Bei einem derart komplexen Projekt passieren sie unweigerlich. Rückblickend hätte ich die Sprengkraft, die es innerhalb der Grünen entfaltet hat, besser einschätzen müssen.

Im Video erklärt Vassilakou, welche Eigenschaften ihr Nachfolger als Planungsstadtrat mitbringen muss:

Abschiedsinterview Vassilakou: "Mein Nachfolger muss einen breiten Buckl haben"

David Ellensohn, Peter Kraus, Birgit Hebein – wer von den drei Nachfolge-Favoriten verkörpert diese Eigenschaften am besten?

Es gibt mehrere gute Kandidaten. Wie alle anderen muss ich nun artig bis Montagnacht abwarten, bis das Ergebnis feststeht.

Sollte Ellensohn das Rennen machen, will er Sie lieber heute als morgen als Stadträtin beerben. Werden Sie ihm diesen Gefallen machen?

Den Zeitpunkt der Übergabe werden ich mit dem neuen Spitzenkandidaten vereinbaren.

 

Die Neugestaltung des Schwedenplatzes ist eine offene Baustelle. Muss die Ihr Nachfolger übernehmen?

Ich bin dafür, dass ein erster Abschnitt des Schwedenplatz noch vor der nächsten Wahl neu gestaltet werden soll.

Wo soll umgebaut werden?

Bei der Rotenturmstraße. Und zwar gleichzeitig mit deren Umgestaltung. Das spart Zeit, Geld und Nerven.

2020 wird in Wien gewählt, aktuell schauen die Prognosen nicht so berauschend aus. Warum tut sich Rot-Grün so schwer, die Wiener davon zu überzeugen, dass sie die bessere Alternative zu Türkis-Blau sind?

Dort, wo über Jahrzehnte hinweg ein sehr hoher Standard an Lebensqualität sichergestellt wird, neigt man dazu, das als selbstverständlich wahrzunehmen. Damit hat vor allem die Sozialdemokratie zu kämpfen. Die Grünen wiederum haben in zehn Jahren sehr viel verändert. Die 365-Euro-Jahreskarte etwa würde es ohne die Grünen nicht geben. Um die beneiden uns Städte weltweit.

 

Vassilakou: "Hätte Sprengkraft des Heumarktprojekts besser einschätzen sollen"

Warum polarisiert Rot-Grün dann so stark?

Die Polarisierung hat viel damit zu tun, dass in den letzten Jahren alles nur auf die Migrationsfrage reduziert worden ist. Aus Sicht eines Spindoktors aus gutem Grund. Sie polarisiert extrem und deckt alles andere zu. Den 12-Stunden-Tag, Kürzung der Arbeitslosenunterstützung und der Mindestsicherung, Kürzungen für Flüchtlinge und bald heißt es: „Frauen zurück an den Herd“. So wird Schritt für Schritt die reaktionäre Agenda durchgesetzt. Die Gefahr für unseren Lebensstandard steht nicht an den EU-Grenzen, sondern sie sitzt in den Ministerien. Die bauen das Kreisky-Erbe ab, das, worauf der Wohlstand des Landes fußt: Einem robusten Sozialstaat mit einer liberalen Gesellschaft. Und da stehen wir erst am Anfang der Entwicklung.

Auch Sie als Person haben stark polarisiert.

Wie könnte ich nicht polarisieren? Ich bin keine gebürtige Österreicherin, bin unverkennbar eine Frau, in regierender Position und ich bin entscheidungsfreudig. Das sind Faktoren, die nicht goutiert werden.

Wie sehr hat Sie das belastet? Oder hat es Ihnen sogar gefallen?

Wenn es mir gefallen hätte, müsste ich psychopathisch veranlagt sein. Aber ich bin nicht in ein hübsches Zimmer ins Rathaus gezogen, um dann die Aussicht zu genießen.

 

Vassilakou im Video über eine mögliche Karriere als städtische Beauftragte a la Renate Brauner:

Abschiedsinterview Vassilakou: "Der Ausdruck "Beauftragter" ist desavouriert"

Die Privatwirtschaft reizt Sie nicht?

Ist auch eine Option, aber bitte vorzugsweise in einer Branche, bei der ich nicht jahrelang Erklärungsbedarf habe.

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