Margaretengürtel: Eine Spur weniger für die "Verkehrshölle“
Als „Ringstraße des Proletariats“ wurde der zwischen Wienzeile und Eichenstraße als breiter Boulevard angelegte Margaretengürtel noch 1930 am Cover einer sozialdemokratischen Frauenzeitschrift bezeichnet. Das würde heute wohl kaum noch jemand so sagen, den Grünen liegt überhaupt der Begriff „Verkehrshölle“ näher.
Um auszuloten, was in dem Abschnitt möglich wäre, ließ die Grüne Bildungswerkstatt nun vom Institut für Verkehrswissenschaften der TU Wien eine Studie erstellen. Vorweg: Eine höhere Aufenthaltsqualität wäre selbst entlang der zentralen Verkehrsachse ohne Weiteres möglich.
Unbefriedigende Situation
Momentan sei die Situation sowohl für die Verkehrsteilnehmer als auch für die Anrainer „sehr unbefriedigend“, resümiert Studienautor Harald Frey. Lärm und Abgase verwandelten die großzügig angelegte Grünzone in der Mitte in einen „Unort“, mangelnde Querungsmöglichkeiten erschweren das Leben für Menschen zu Fuß und auf dem Rad, teils lange Ampel-Wartezeiten jenes des öffentlichen Verkehrs.
Fazit der Bestandsanalyse: Eine „deutliche Priorisierung des Kfz-Verkehrs“, aus der – logischerweise – eine „Benachteiligung des Fuß- und Radverkehrs“ folgt. Der stv. Bezirksvorsteher des 5. Bezirks, Thomas Kerekes (Grüne), betont zudem, Margareten sei einer der am dichtesten bebauten Bezirke der Stadt, mit einem Mangel an Erholungs- und Grünflächen. Um zu sehen, welche Potenziale es überhaupt gibt, brauche es darum Studien wie die am Dienstag vorgelegte.
„So sollte niemand wohnen müssen. Ich glaube, das ist die soziale Frage unserer Zeit", ergänzte Heidi Sequenz, grüne Mobilitätssprecherin im Gemeinderat.
Die gute Nachricht, nicht zuletzt im Sinne der Klima- und Verkehrsziele der Stadt: Ein anderer Margaretengürtel wäre mit überschaubarem Aufwand möglich.
Vier Kfz-Spuren reichen
Laut Studienautor Frey wäre dazu in einem ersten Schritt lediglich die Entfernung einer Kfz-Spur pro Richtung nötig. Solange diese Maßnahme in ein Gesamt-Verkehrskonzept eingebettet wird, das etwa Schleichwege durch das „Hinterland“ unterbindet, wäre auch kein Verkehrschaos zu erwarten. Im Gegenteil, bereits nach einer Woche sei mit einem „neuen Optimum“ zu rechnen, sagt der Experte.
Dazu trüge auch bei, dass sich - Stau-fördernde - Umspur-Manöver deutlich reduzieren würden. Alles in allem würde der Verkehr bei nur mehr zwei Spuren pro Fahrtrichtung geschmeidiger fließen als jetzt.
Mehr Platz für aktive Mobilität
Der gewonnene Platz soll laut Konzept für verbreiterte Gehsteige und je einen baulich getrennten Zweirichtungsradweg pro Seite genützt werden. Kombiniert mit zusätzlichen Querungsmöglichkeiten für Fußgänger und Radler, der Errichtung von Grüngleisen für die Straßenbahn und extensiver Begrünung würde der ganze Abschnitt nicht nur attraktiver, sondern – in einer sich immer weiter aufheizenden Stadt – auch klimagerechter.
Vorher-Nachher
Der Margaretengürtel jetzt - und wie er nach einer ersten Umgestaltung aussehen könnte (bewegen Sie den Schieberegler nach links oder rechts)
Zusätzlich sollen laut Studie einzelne, in den Margaretengürtel mündende Gassen zu Sackgassen umgewandelt und der dadurch gewonnene Platz für „Pocket Parks", also kleine, begrünte Flächen genutzt werden.
Nicht zwingend Zukunftsmusik
Realpolitisch, so steht es schon in der Einleitung der Studie, sei diese Vision „in weiter Ferne“. Den entsprechenden politischen Willen vorausgesetzt könnte es freilich auch schnell gehen. Die nötigsten Arbeiten zur Umsetzung der Studie könnten laut Frey in 2,5 Jahren erledigt werden. Kostenpunkt: 20 bis 25 Millionen Euro.
„Leider muss man sagen, dass wir momentan nicht die richtigen Maßnahmen in der Stadt setzen", bedauert Kilian Stark, wie Sequenz Grüner Mobilitätssprecher im Gemeinderat. „Eigentlich bräuchte es jedes Jahr ein, zwei, drei Umgestaltungen in der Größenordnung der Mariahilfer Straße."
Momentan scheitert es aber sogar noch an der Erlaubnis, die Pläne auszustellen. Zumindest für eine Woche wollten die Grünen ihre „Vision" in Plakatform stehen lassen, damit die Anrainer sie sehen können. Nach Einsprüchen unter anderem aus der SPÖ-geführten Margaretner Bezirksvertretung wurde das laut Grüner Bildungswerkstatt jedoch untersagt.
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