Magistrat legt Wiener Wutraum in Scherben
Porzellanteller an die Wand werfen, Monitore mit einer Schaufel zertrümmern, Computer-Rechner mit dem Baseballschläger pulverisieren: All das war in einer Lagerhalle in Floridsdorf möglich. Und zwar in einem sogenannten Wutraum der Unterhaltungsfirma Maxx Entertainment.
In wenigen Wochen hätte er sein einjähriges Jubiläum gefeiert. Doch es sollte nicht so weit kommen.
Wuträume sind vor allem aus den USA bekannt. Die Idee dahinter: Brachiale Gefühle sollen in einem geschützten Rahmen ausgelebt werden können. Oder, wie es Andreas Trettler, Co-Gründer des Floridsdorfer Wutraums, nach der Eröffnung im April 2019 formulierte: „Du sollst Spaß haben und dich auspowern.“
Egal was „das Fass zum Überlaufen bringt“ oder einen „vor Wut kochen“ lässt: Wut zu unterdrücken, ist ungesund. Donna Alexander aus Texas in den USA hat sich deshalb etwas einfallen lassen: Räume, in denen die Menschen ihrer Wut freien Lauf lassen können – indem sie Gegenstände zertrümmern.
Was bei Alexander 2008 in einer Garage als Experiment beginnt, entpuppt sich bald als lukratives Geschäft. Immer mehr Interessierte kommen zu ihr, um sich im wahrsten Sinne des Wortes austoben. 2011 eröffnet die Frau dann den ersten offiziellen „Anger Room“ (Wutraum) in Dallas. Die Geschäftsidee verbreitet sich daraufhin bis nach Wien.
Ob Wuträume wirklich Abhilfe schaffen, darüber sind sich Experten uneinig. Beim Unterdrücken der Wut sammeln sich Stresshormone, die der Körper nicht gleich abbaut – Depressionen können die Folge sein. Allerdings lässt sich Ärger gut nutzen, um zu erkennen, was falsch läuft. Sich mit seinen Gefühlen auseinanderzusetzen, kann helfen, dem Grund für den Ärger auf die Spur zu kommen.
Aber: Wer sich zu sehr in den Zorn hineinsteigert, kann Herzprobleme bekommen: Ärger erhöht den Blutdruck sowie die Pulsfrequenz und damit das für Risiko Herzkreislaufbeschwerden.
Um Verletzungen zu verhindern, händigte Maxx Entertainment seinen Kunden Protektoren für Arme, Beine und Oberkörper, einen Helm sowie einen Gehörschutz aus. Welche Gegenstände sie zerstören durften, hing vom gebuchten Paket ab: Drei waren im Angebot, das günstigste kostete 39 Euro. Die Objekte stammten zum Beispiel von Haus- und Geschäftsauflösungen.
Das Konzept ging laut Maxx Entertainment auf. Die Auslastung sei gut gewesen: „Der Raum hat sehr viel Spaß gemacht“, sagt Unternehmenssprecher Dennis Sirbu im Gespräch mit dem KURIER.
Aber dann kreuzte die Umweltschutzabteilung (MA 22) im Wutraum auf.
Genehmigung fehlte
Sie setzte der Geschäftsidee nach nur wenigen Monaten Betrieb ein Ende. „Die MA 22 hat bemängelt, dass wir hier eigentlich Müll entsorgen“, sagt Sirbu. Die zuständigen Beamten hätten den Reiz des Wutraums zwar erkannt. Aber: Letztlich habe Maxx Entertainment die Auflage bekommen, bei der Behörde eine spezielle Bewilligung für den Wutraum einzuholen.
Nach Ansicht der Umweltschutzabteilung fällt dieser nämlich unter das Sammeln und Behandeln von Abfällen. Dafür braucht es laut dem österreichischen Abfallwirtschaftsgesetz eine Genehmigung des Landeshauptmanns.
Die MA 22 bestätigt die Aussagen von Maxx Entertainment. „Abfälle dürfen nur in behördlich bewilligten Anlagen behandelt werden und nur von Befugten“, sagt Leiterin Karin Büchl-Krammerstätter.
Das Gesetz
Das Abfallwirtschaftsgesetz des Bundes enthält Vorschriften darüber, wie Abfälle vermieden und verwertet werden müssen. Es legt etwa fest, dass Abfälle nur in genehmigten Anlagen gelagert oder behandelt werden dürfen. Wer Abfälle sammelt oder behandelt, braucht eine Genehmigung des Landeshauptmanns.
Wiener Wuträume
In den vergangenen Jahren poppten in Wien mehrere Wuträume auf: Im Jahr 2018 eröffnete in Meidling das (mittlerweile geschlossene) Happy Shards – dort konnte allen voran Geschirr zerstört werden. Anfang 2019 zog Maxx Entertainment in Floridsdorf nach, vergangenen September versuchte sich das Volkstheater an dem Konzept – zu Werbezwecken.
Maxx Entertainment
Die auf Unterhaltung spezialisierte Wiener Firma betreibt unter anderem einen Trampolinpark und eine Lasertag-Arena. Zusätzlich bietet sie Schnitzeljagden durch die Stadt und Spiele mit Virtual-Reality-Brillen an. Bis Februar 2019 führte Maxx Entertainment den Indoor-Spielplatz Bogi-Park in Liesing. Er musste schließen: Schlechtwettertage wurden wegen des Klimawandels weniger, die Auslastung war zu gering.
Wie aber wird man ein Befugter? Ein Kriterium seien entsprechende Kenntnisse über die Abfallbehandlung, erklärt Büchl-Krammerstätter. In Wien erfülle etwa die MA 48 die verlangten Kriterien.
Volkstheater gestraft
Auch das Volkstheater machte mit diesen Vorschriften eine leidvolle Erfahrung. Um das Stück „Die Merowinger“ zu bewerben, stellte es vergangenen September im Haupthof des Museumsquartiers rund eine Woche lang einen mobilen Wutraum mit durchsichtigen Wänden auf.
Er rief prompt die Umweltschutzabteilung auf den Plan: Wir haben eine Verwaltungsstrafe ausgesprochen“, sagt Büchl-Krammerstätter.
Einen Wutraum zu betreiben, ist angesichts der komplizierten Regeln kaum möglich, räumt die MA-22-Leiterin ein: „Das ist rechtlich extrem schwierig.“
Den Magistrat dürfte das wohl nicht sehr stören: Wuträume stünden „im Kontrast“ zum „Verständnis von Abfallwirtschaft“, das die Stadt Wien habe, sagt Büchl-Krammerstätter. Immerhin wolle man Ressourcen sparen und das Reparieren fördern. Soll heißen: Viel kann die MA 22 Wuträumen ohnehin nicht abgewinnen.
Maxx Entertainment hat jedenfalls beschlossen, sich nicht mit der Behörde herumzuärgern: Der Wutraum wurde geschlossen und in eine Lasertag-Arena umgebaut.
Kommentare