Es war die Zeit, in der Herren ausgeprägte Seitenscheitel trugen, oft gepaart mit buschigen Koteletten. Als Häftlinge noch am „Staatsgewand“, dem sogenannten Drillichanzug, erkennbar waren und Kerkerstrafen absitzen mussten.
Ungestüm
In dieser Zeit tauchte ein neues Gesicht in der Wiener Strafverteidiger-Szene auf. Gunther Gahleithner, Spitzname: Julio Iglesias – der Ähnlichkeit mit dem spanischen Schnulzensänger geschuldet. „Der junge Mann mit dem Bohemienkopf traute sich sofort über größere Strafprozesse und setzte durch seine ungestümen und doch gekonnten Angriffe und Reden im Gericht neue Maßstäbe“, schrieb der KURIER über ihn.
Bis zuletzt arbeitete Gahleithner in seiner opulent eingerichteten Kanzlei in der Schottengasse und verteidigte in zahlreichen Aufsehen erregenden Fällen. Am 5. November starb er im 83. Lebensjahr.
„Eine schillernde Figur, mit ihm ist ein Original gestorben“, sagt Anwaltskollege Werner Tomanek. „Er hat im Dienste seiner Klienten gekämpft bis zum Umfallen“, erinnert sich Rudolf Mayer. So auch, als er einen der Stein-Ausbrecher verteidigte. Die Männer rund um Ausbrecherkönig Adolf Schandl hatten 1971 Wachebeamte überwältigt und flüchteten mit Geiseln. Legendär der Spruch des damaligen Polizeipräsidenten Holaubek: „I bin’s, dei Präsident.“
Er verteidigte auch Günter L., der erst im Vorjahr nach 39 Jahren aus der Haft entlassen wurde. L. hatte 1983 drei Morde begangen. Der damals 19-Jährige erschoss seinen Freund, eine ehemalige Schulkollegin und deren Mutter.
Potschertes Leb’n
Boxlegende Hans Orsolics – er sang selbst von seinem „potscherten Leb’n“ geleitete Gahleithner durch diverse Prozesse. Zu oft war die Zündschnur des Europameisters außerhalb des Ringes zu kurz.
Ein anderes Mal stand er einem türkischen Mafiapaten zur Seite. Mafia-Klienten, so erklärte Gahleithner einmal, würden ihm keine Angst einjagen. Einst sei er gewarnt worden, dass bei ihm eingebrochen werde. Tatsächlich gab es drei Einbrüche. Dann klebte er einen Zettel an die Tür: „Liebe Diebe, bitte zerstört nichts, im Schreibtisch liegen 5.000 Schilling.“ Einmal wurde dann noch eingebrochen, die 5.000 Schilling nahmen die Täter mit.
Der letzte medial große Prozess des Rechtsanwalts drehte sich um ein Thema, das seither immer wieder Fall für die Höchstrichter ist: Renate E. hatte ihrem sterbenden Lebensgefährten im Wiener AKH die lebenserhaltenden Schläuche gezogen. „Eine Frage der Ehre, der Liebe“, argumentierte der Anwalt.
Kommentare