"Wenn das Böhler fällt, dann hat das Auswirkungen auf ganz Wien"

"Wenn das Böhler fällt, dann hat das Auswirkungen auf ganz Wien"
Das Lorenz Böhler Krankenhaus muss saniert und deshalb gesperrt werden. Was das für Patienten bedeutet und warum die Ärzteschaft Widestand übt.

Heinz Brenner, Obmann für Unfallchirurgie der Wiener Ärztekammer, über die geplante Schließung und Sanierung des Lorenz Böhler-Krankenhauses und die möglichen Folgen.

KURIER: Das Lorenz Böhler muss saniert werden, die Leistungen werden „sukzessive und temporär“, wie aus einer Email an die Belegschaft hervorgeht, „disloziert“. Was heißt das ab sofort für Patienten? 

Heinz Brenner: Das heißt im aller schlimmsten Fall, vor einer verschlossenen Türe zu stehen und nicht behandelt werden zu können, weil das Gebäude zwar noch steht, aber es im Inneren leer ist. Es kann sein, dass noch eine Erstversorgungsambulanz besteht, aber das Lorenz Böhler existiert, wenn die Pläne wahr werden, nur noch als Torso mit lauter amputierten Gliedmaßen. Da bleibt nichts mehr übrig.

Um bei dem Bild des Torsos zu bleiben: Wie wird die medizinische Arbeit dort verrichtet werden müssen?

Für uns als Team– ich bin einer von 500 Menschen, von der Reinigungskraft bis zum Oberarzt – bedeutet das das Ende unserer Arbeit. Wenn ich einen Patienten bekomme, aber kein CT, kein MR, kein Röntgen und kein Gipsraum mehr vorhanden ist, dann frage ich Sie: Was ist das noch für eine Arbeit? 

Halten OP-Termine?

Für die kommenden Monate sind 900 bis 1.000 Operationstermine geplant. Wenn wir keine Betten, keine Station und kein Personal mehr haben, weil wir „sukzessive disloziert“ werden sollen, werden die OP-Termine nicht halten. 

"Wenn das Böhler fällt, dann hat das Auswirkungen auf ganz Wien"

Heinz Brenner (mi) bei einer Betriebsversammlung 2018

Für unbedarfte Beobachter erschließt sich nicht, warum das LB ausgerechnet jetzt saniert werden muss. Ist Gefahr in Verzug?

Das ist von den Verantwortlichen geschickt kommuniziert, so zu tun, als ob jetzt alles schnell, schnell gehen müsste. In Wirklichkeit ist die Notwendigkeit, baulich etwas zu tun, seit zehn Jahren bekannt. Genau diese Direktoren, die das jetzt entschieden haben, wissen seit zehn Jahren, dass etwas zu tun ist. Sie haben es 10 Jahre lang nicht gemacht. Die Entscheidungsträger haben uns, so sehe ich das, bewusst mehr Arbeit gemacht.

Von welcher Mehrarbeit sprechen Sie?

Wir haben Kooperationen mit der Rettung, mit den Wigev-Spitälern, mit dem Franziskus-Spital und dem Ludwig Boltzmann-Institut. In den letzten Wochen und Monaten wurde bewusst mehr aufgebürdet, um jetzt sagen zu können: „Wir haben jetzt die baulichen Mängel gesehen, wir müssen gleich handeln.“ Das ist alles gelogen. Seit Juli 2023 gibt es die Aufforderung der Baupolizei, einen Sanierungsplan vorzulegen. Bis 28.2.2024 gab es keinen Sanierungsplan. Daraus schließe ich: Man will das LB nicht sanieren. Die Baupolizei hat der AUVA geschrieben, dass das Lorenz Böhler bei laufendem Betrieb saniert werden kann

Das heißt, es steht Aussage gegen Aussage.

Das heißt, es muss nichts zugesperrt werden, wir müssen nicht schließen, sondern können arbeiten, weil parallel laut Baupolizei saniert werden kann. Die AUVA will es aber nicht – und ich habe eine Vermutung, warum dem so ist. 

Was ist Ihre Vermutung?

Die AUVA ist die einzige Sozialversicherung, die von den Arbeitgebern bezahlt wird. Jeder Arbeitgeber zahlt für jeden Arbeitnehmer 1,2 Prozent der Lohnsumme, damit dieser versichert ist. Seit Jahrzehnten hören wir, dass die Lohnnebenkosten zu hoch sind. Erster Adressat in der Debatte: immer die AUVA. Die Wirtschaftskammer hat das Sagen und was mache ich als Partei der Arbeitgeber, damit ich mein Klientel bedienen kann vor einer Wahl wie heuer? Ich biete meiner Wählerschaft an, einzusparen. Der Verkauf der Hauptstelle der AUVA hat nicht geklappt, versucht worden ist es.

Und jetzt unterstellen Sie, die AUVA wolle das Lorenz Böhler zusperren, weil wir Nationalratswahl haben?

Indem ich ein Spital, wie das Lorenz Böhler zusperre, spare ich drastisch an Kosten. 80 Prozent der Kosten im Spital sind Personalkosten. Im Falle des Böhlers sind das 50 Millionen Euro pro Jahr. Damit wäre der Arbeitgeberbeitrag um 0,1 Prozentpunkte gesenkt. Damit kann man Politik machen. Genau das steckt dahinter, das ist Kalkül. Generaldirektor Bernart schiebt das Argument der Brandschutzpolizei vor. 

Wenn die Pläne seitens des Direktoriums realisiert werden, wohin wird die Ärzte- und Pflegerschaft gehen?

Wir haben einen Beschluss gefasst, der da heißt: 1. Sanierung bei laufendem Betrieb ist möglich und 2. Wir lassen uns nicht als Team aufsplitten – wir funktionieren wie ein Uhrwerk mit 5.000 Operationen und 65.000 ambulanten Patienten jährlich. Wenn wir einmal sperren sollten, wird das Lorenz Böhler so nie mehr funktionieren, wie wir es kennen. Ich sehe die AUVA gefordert und natürlich Wien und Stadtrat Peter Hacker, denn: Wenn das Böhler fällt, dann hat das Auswirkungen auf die medizinische Versorgung von ganz Wien. 

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