Lokalaugenschein: Am Karfreitag war die Kirche zu klein

Lokalaugenschein: Am Karfreitag war die Kirche zu klein
In den evangelischen Pfarren ist der Ärger über die neue Feiertagsregelung groß.

Christine Pap ist eine der ersten. Während sie sich im Pfarrsaal der Johanneskirche in Wien-Liesing mit anderen Mitgliedern der evangelischen Gemeinde unterhält, sind die meisten Holzstühle im angrenzenden Kirchenraum leer.

Auf zwei Tischen liegen stapelweise rot eingebundene Gesangsbücher. Noch.

Dass Pap in die Kirche kommen konnte, verdankt sie einem Zufall. „Es war ein harter Kampf, heute frei zu bekommen“, erzählt sie. Pap arbeitet in Linz als Beraterin. Den Karfreitag – den höchsten evangelischen Feiertag – verbringt sie aber mit ihrer Familie in Wien.

Ihr Teamleiter habe ihr letzten Endes erlaubt, Urlaub zu nehmen, sagt Pap. „Aber nur, weil ich keine Termine hatte. Dass sich jeder so einfach frei nehmen kann, ist Humbug.“

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„Es war ein harter Kampf, heute frei zu bekommen“, sagt Christine Pap.

Der Karfreitag ist für Altkatholiken, Methodisten und evangelische Christen heuer erstmals kein gesetzlicher Feiertag. Die Bundesregierung erfand stattdessen einen „persönlichen Feiertag“ – ein Urlaubstag aus dem regulären Kontingent, der bis 4. April angemeldet werden musste.

Die Kirchenglocken läuten. Langsam füllt sich der Vorplatz – allen voran mit Kindern und Senioren. Einige Kirchgänger tragen gepflegte Anzüge, andere Jeans und Turnschuhe.

„Mich betrifft die Neuregelung zwar nicht, aber sie ist eigenartig“, sagt Pensionist Heinrich Schnäbele, der auf den Eingang zusteuert. Jetzt muss er weiter, damit er noch einen Platz bekommt.

Gedränge im Foyer

Wenige Minuten später ertönt drinnen die Orgel und Pfarrerin Helene Lechner tritt an den Altar. „Wir wussten ja nicht, wie das heuer sein wird. Kommen 30 Leute? Oder 50?“, sagt sie und blickt in den Raum. „Wir sind deutlich mehr.“

Letztlich sind so viele Gläubige in die Johanneskirche gekommen, dass mehr als 20 von ihnen den Gottesdienst nur vom Foyer aus mitverfolgen können.

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Im Foyer mussten zusätzliche Sessel aufgestellt werden.

„Das kommt nicht oft vor“, sagt Irene Netzl, die mit ihrem Sohn Alen auf einem der Zusatz-Sessel sitzt. Um da sein zu können, habe sie sich ihren persönlichen Feiertag genommen, erzählt sie.

„Ich bin ziemlich angefressen deswegen. Als berufstätige Mutter brauche ich eh jeden Urlaubstag dringend.“

Vorne am Altar bereitet Pfarrerin Lechner inzwischen das Abendmahl vor. Netzl und ihr Sohn erleben das nicht mehr mit. „Bei uns kommen gleich die Handwerker“, sagt sie und schleicht mit ihm aus der Kirche. „Wenn man schon frei hat, muss man das ausnutzen.“

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Pfarrerin Helene Lechner am Altar.

Im Eingangsbereich warten auch schon Andrea Kucea und Albert Hirl auf das Ende des Gottesdienstes. Sie sind keine evangelischen Christen, sondern sind aus Solidarität gekommen, sagen sie. „Die neue Regelung ist einfach unüberlegt. Der Karfreitag sollte für alle ein freier Tag sein.“

Kurz darauf kommen die ersten Gläubigen aus der Kirche. Gemeinsam mit Kucea und Hirl machen sie sich auf den Weg zur S-Bahn-Station. Ihr Ziel: die Wiener Innenstadt, wo zu Mittag Gläubige gegen die neue Regelung demonstrieren.

Eher Andacht als Demo

Treffpunkt ist die Lutherische Stadtkirche in der Dorotheergasse. Ein Junge geht durch die Grüppchen und klebt Kreuze aus Wundpflastern auf die Jacken. „Ein Zeichen dafür, dass wir verwundet sind“, erklärt Pensionistin Karin Wuff.

„Keiner hat das Recht Ostern zu trennen, schon gar nicht die Wirtschaft. Ohne den Tod Christi gibt es auch keine Auferstehung“, sagt sie.

Friedlicher Protest gegen Karfreitagsregelung in Wien

Neben ihr nehmen ältere Menschen auf Sitzbänken Platz. Sie halten Liedertexte in den Händen. Als die Glocken läuten, beginnt ein Gitarrist zu spielen. Alles hier ist feierlich – und erinnert kaum an eine Demo. Eher an eine Andacht.

Nur wenige haben Plakate mit kämpferischen Parolen mitgebracht. „Ohne Karfreitag keine Auferstehung“ oder „#SaveYourKarfreitag“ steht auf ihnen geschrieben.

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Nur wenige haben Plakate mitgebracht.

„Selig seid ihr, wenn ihr einfach lebt“, singen die mehreren hundert Menschen, die sich mittlerweile versammelt haben. Darunter finden sich Vertreter aus 30 evangelischen und altkatholischen Pfarrgemeinden – unter der Leitung von Superintendentialkuratorin Petra Mandl.

„Die diskriminierende Haltung, die diese Regierung gegenüber Minderheiten in unserer Gesellschaft zeigt, macht es dringend notwendig, ein Zeichen zu setzen“, sagt sie.

In der Johanneskirche in Liesing  schlichtet Christine Pap inzwischen andächtig die roten Gesangsbücher ins Regal zurück. Rund 300 Gläubige sind zum Gottesdienst gekommen, sagt sie. „Das haben wir sonst vielleicht zu Weihnachten oder bei Konfirmationen.“

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Lokalaugenschein: Am Karfreitag war die Kirche zu klein

Er ist nicht nur Teil der österlichen "Dreitagefeier", des höchsten Kirchenfests des Jahres. Sondern vor allem für Katholiken ein strikter Fast- und Abstinenztag. Den Besuch am Würstelstand – für viele Wiener und Wien-Besucher fast ein eigener religiöser Akt – kann der Karfreitag dennoch nicht jedem vermiesen: Davon zeugten nicht zuletzt die Schlangen vor dem traditionsreichen Bitzinger-Würstelstand vor der Albertina.

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