Bis jetzt fristete das Lobau-Fleckerl ein eher unscheinbares Dasein in einer Vitrine im Bezirksmuseum Brigittenau. Seit Kurzem ist das Stück Stoff in den Fokus von künftigen Historikern gerückt. Wer es nun betrachtet, erfährt, dass der winzige Tanga für Männer dazu da war, beim Verlassen des FKK-Bereichs das Nötigste zu bedecken.
Solche und andere „Alltagsg’schichten“ haben nun in fünf Bezirksmuseen Platz gefunden. Dort haben sich Studierende vom Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien mit den Ausstellungen auseinandergesetzt und neu gestaltet. Darunter auch die Lueger-Ecke im Bezirksmuseum Wieden.
Viele Ausstellungsstücke, wenig Info
Das Projekt ist Teil eines Seminars. „Ziel war es, dass die Studierenden in die Ausstellungspraxis hineinschnuppern können“, sagt Jungkuratorin Alina Strmljan, die gemeinsam mit Kollegin Anna Jungmayr vom Wien Museum und den Historikern Florian Wenninger und Peter Autengruber das Seminar leitet.
„Was allen Studierenden schnell aufgefallen ist, ist, dass es viele Objekte und Inszenierungen gibt, aber mit wenig Text“, sagt Strmljan.
Das heißt, man kann zwar viele Ausstellungsstücke bewundern, erfährt aber recht wenig über sie.
Ein Beispiel dafür ist die sogenannte Lueger-Ecke im Bezirksmuseum Wieden. Dort sind eine Büste, Ballspenden, Porträts oder auch die Todesanzeige des ehemaligen Wiener Bürgermeisters und Antisemiten gesammelt und ausgestellt worden.
Museum in den Bezirken
23 Bezirksmuseen gibt es in Wien, sie werden großteils von Ehrenamtlichen getragen und machen historisch bedeutsame Alltagsgegenstände „ihres“ Bezirkes öffentlich zugänglich. Sie dienen als Wissens- und Kulturzentren des jeweiligen Bezirks, sind weltweit einzigartig und locken durchaus auch ausländische Besucher an
Förderung
Das Vorhaben „Uni im Bezirksmuseum“ ist Teil des Projekts „Bezirksmuseen reloaded“, das von der Stadt gefördert wird. Dafür wurde eine Stabstelle im Wien Museum eingerichtet. Drei Jungkuratoren wie Alina Strmljan helfen beim Sichten und Dokumentieren der Museumsobjekte und bei der Konzeption der Ausstellungen. Außerdem bringen sie sich bei Veranstaltungen ein
„Warum? Weil Lueger Wiedner war“, sagt Strmljan. Doch die Objekte waren quasi sich selbst überlassen und kamen deshalb wie eine Art Heldenverehrung daher. „Das wollten die Studenten ändern.“
Personenkult
„Jeder, der das dort gesehen hat, weiß, dass es ein absurdes Objekt ist“, sagt Student Lennart Busse, einer der Kuratoren. Obwohl die Ausstellung wirke wie aus der Jahrhundertwende, stamme sie aus den 90er-Jahren. „Es ist auch interessant, wie wir mit problematischen Personen umgehen wollen“.
Gerade um Lueger habe es einen starken Personenkult gegeben, der schon zu dessen Lebzeit begonnen und lange nachgewirkt habe. „Das kann man so nicht stehen lassen“, sagt der Student, man wolle den politischen Mythos aufzeigen. Klar war jedenfalls, dass man etwas braucht, dass „das Schreinartige auflöst“, sagt Busse.
Künftig werden Museumsbesucher die Ecke nun durch einen großen Rahmen betrachten.
So wird die Ecke selbst zu einem Museumsobjekt. Tafeln mit biografischen Daten und Infos zum Lueger-Kult und wie er Antisemitismus und Feindbilder generell genutzt hat, klären die Besucher auf. Die neue Ausstellung unter dem Titel „Achtung, Personenkult!“ wird am 21. September eröffnet.
Bikini bis Puppenküche
Einem ganz anderen Thema widmeten sich die Studenten im Bezirksmuseum Brigittenau. Nämlich der Freizeit. Denn obwohl sich dort ein Raum mit dem Alltag in dem ehemaligen Arbeiterbezirk widmet, weiß man wenig zur Freizeitgestaltung der Bewohner.
Bikinis, Postkarten, ein tragbares Radio, eine Puppenküche und eben das Lobau-Fleckerl lassen zwar erahnen, wie das Leben damals war. Doch wie verbrachte man die Sommer, fuhr man gar auf Urlaub?
„Das Museum ist recht voll und wir haben uns oft gedacht, das sind tolle Objekte. Wir wollten die Geschichte dahinter erzählen“, sagt Studentin Lisa Pairits. Also recherchierten sie und ihre Kollegen zwei Monate lang zu knapp 20 Objekten. „Freizeit gibt es ja erst seit Anfang des 20. Jahrhunderts. Seit damals wird Radio gehört oder Sport gemacht“, erklärt sie.
Eine Erinnerungswand soll Besucher einladen, ihre Geschichten zu teilen. Das kann man bei der Ausstellung „Freizeit in der Brigittenau“ seit 13. September.
Am 13., 20. und 22. Oktober folgt die Eröffnung von „Frauen(t)räume“ in den Bezirksmuseen Favoriten, Floridsdorf und Liesing, wo Altwiener Küchen-Inszenierungen in Kontext gesetzt wurden.
Kommentare