KURIER-Gespräch: Ein Ordner voller Anregungen für Michael Ludwig
Frau Kopecky aus der Weidelstraße in Favoriten ist aufgeregt. Und zwar sehr. So sehr, dass sie einen Ordner voll mit Notizen, Anmerkungen und Anregungen für den Bürgermeister mitgebracht hat.
Seit dem Vorjahr ist die Weidelstraße eine sogenannte Fahrradstraße: Radler dürfen dort nebeneinander fahren, Autolenker maximal mit Tempo 30 unterwegs sein. In der Weidelstraße funktioniere das aber nicht. Dort fetzen die Autos mit 60 km/h durch, sagt Frau Kopecky: „Keiner bremst.“
Sie weiß das, weil sie sich dort wochenlang jeden Tag auf der Straße gestellt und die Raser gezählt hat. „Ich bin keine Grüne“, sagt sie gleich. Sie fahre auch Auto. Aber so gehe es nun wirklich nicht.
Am Mittwoch brachten KURIER-Leser im vollen Raiffeisen Forum ihre Anliegen vor. Auf Basis der großen KURIER-Bezirksumfrage diskutierten Chefredakteurin Martina Salomon und Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) die Begehren und Sorgen der Leser – wobei sich der Stadtchef launig zeigte.
Zwei Bezirke wurden bei der Befragung aufgeteilt. Liesing wurde in Ost und West und Leopoldstadt in Nord und Süd aufgeteilt.
Folgende Fragen wurden in Liesing Ost gestellt:
- Die Sorge um die ärztliche Versorgung wächst. Wie wichtig wäre Ihnen, dass es in Ihrem Grätzel mehr Kassenärzte gibt?
- Viele Gegenden Wiens sind stark von Zuwanderung geprägt. Wie wichtig wäre Ihnen, dass die Stadt mehr Integrationsmaßnahmen setzt?
- Der U-Bahn-Ausbau bis ganz an den Stadtrand lässt zu wünschen übrig. Wie wichtig wäre Ihnen, dass die U-Bahn weiter in die Peripherie geführt wird?
- Derzeit wird eine Zusammenlegung der Spitals-Standorte der AUVA (UKH Lorenz Böhler und UKH Meidling) diskutiert. Wie wichtig wäre Ihnen, dass das Böhler-Krankenhaus erhalten bleibt?
Folgende Fragen wurden in Liesing West gestellt:
- Periphere Bezirke sind punkto öffentlicher Verkehr klar im Nachteil. Wie wichtig wäre Ihnen, dass zum Beispiel die S-Bahn besser ausgebaut wird?
- Regelmäßig werden Tourismuszonen – etwa rund um das Schloss Schönbrunn – gefordert, in denen Geschäfte auch sonntags geöffnet haben sollen. Wie wichtig wäre Ihnen, dass Sie am Sonntag einkaufen können?
- Im Südwesten Wiens wird der Flugverkehr kontrovers diskutiert. Wie wichtig wäre Ihnen, dass die 3. Piste gebaut wird?
- Historische Gebäude und Freiflächen müssen immer wieder modernen Neubauten weichen. Wie wichtig wäre Ihnen, dass das ursprüngliche Ortsbild besser geschützt wird?
Folgende Fragen wurden in Leopoldstadt Süd gestellt:
- In der Otto-Bauer-Gasse und in der Rotenturmstraße entstehen gerade neue Begegnungszonen. Wie wichtig wäre Ihnen, dass der Verkehr mit weiteren Begegungszonen beruhigt wird?
- Wien wird bei Touristen immer beliebter. Wie wichtig wäre Ihnen eine Begrenzung der Touristenströme in der Innenstadt?
- Die Innenstadt ist dicht verbaut. Wie wichtig wären Ihnen mehr Grünanlagen?
- Lärmbelästigung aus Schanigärten und Lokalen sorgt für Konflikte. Wie wichtig wäre Ihnen, dass Anrainer besser vor lauten Nachtschwärmern geschützt werden?
Folgende Fragen wurden in Leopoldstadt Nord gestellt:
- Am Praterstern gilt seit April 2018 ein Alkoholverbot. Wie wichtig wäre Ihnen, dass diese Maßnahme auch auf andere Plätze ausgedehnt wird?
- Seit Jahren wird eine Verkehrsberuhigung der Praterstraße diskutiert. Wie wichtig wären Ihnen mehr Begegnungs- und Fußgängerzonen in Ihrem Grätzel?
- Die Zukunft der Nordbahnhalle ist ungewiss. Wie wichtig wäre Ihnen, dass sie als Kulturstätte langfristig erhalten bleibt?
- Derzeit wird eine Zusammenlegung der Spitals-Standorte der AUVA (UKH Lorenz Böhler und UKH Meidling) diskutiert. Wie wichtig wäre Ihnen, dass das Böhler-Krankenhaus erhalten bleibt?
Mit Bezug auf die steigende Zahl von Geländelimousinen (SUV) in der Stadt ließ er etwa wissen: „Vermutlich hängt das damit zusammen, dass die Leute immer blader werden. Das sage ich aus einer gewissen Eigenerfahrung.“
Und: „Ich bin schon einmal mit Michael Häupl aus einem Smart gestiegen. Da haben die Leute geschaut.“
Michael Ludwig weiß, warum es in Wien so viele SUV gibt
Der KURIER fasst zusammen, welche Themen am heftigsten debattiert wurden.
Parkpickerl
Aktuell haben 19 von 23 Bezirken das Parkpickerl. Ludwig warb um Verständnis für den Fleckerlteppich: Der sei dem Umstand geschuldet, dass die Bezirke entscheiden, ob sie das Pickerl einführen oder nicht.
Aber: „Es ist an der Zeit, die unterschiedlichen Entwicklungen zusammenzuführen.
Leicht werde das nicht. Immerhin gebe es viele Interessen: „Man hätte gerne einen Anrainerparkplatz dort, wo man wohnt. Aber auch einen freien Stellplatz, wenn man jemanden besuchen fährt.“
Nun sei es an der zuständigen Stadträtin Birgit Hebein (Grüne), ein neues System zu finden. Bis Mitte April soll es auf dem Tisch liegen.
Umfrage unter den Gästen: Welche Themen bewegen Sie am meisten?
Eine Citymaut ist für Ludwig keine Alternative zum Parkpickerl – er erteilte der Einfahrtsgebühr nach Wien erneut eine Absage: „Eine Citymaut könnte die Wiener Wirtschaft behindern – etwa die Einkaufsstraßen.“
Einkaufsstraßen
Diese haben, wie berichtet, vor allem in den Außenbezirken zu kämpfen. „Das Problem ist, dass die Kaufkraft in Einkaufszentren oder ins Internet abwandert“, sagte Ludwig.
Um das zu verhindern, arbeite er eng mit der Wiener Wirtschaftskammer zusammen. Doch: „Die Kaufleute müssen auch mittun.“ Ein Mittel: Die Stadt könne (wie in der Seestadt Aspern) definieren, welche Geschäfte in die Erdgeschoßzonen einziehen sollen.
Auch ein Mann im Publikum hat eine Idee: „Überdachte Gehsteige“, schlägt Gerhard Mikolasch aus Klosterneuburg vor. „Dann steigt die Chancengleichheit gegenüber den Einkaufszentren.“
Sicherheit
Aus den Außenbezirken – wie Rudolfsheim-Fünfhaus oder Favoriten – kommt auch der Ruf nach mehr Polizisten auf der Straße. Ludwig will dem nachkommen – unlängst forderte er 1.200 zusätzliche Beamte vom Bund.
Der Grund: Wien übernehme viele polizeiliche Aufgaben: „Eine Großdemo findet eben in Wien statt und nicht Gramatneusiedl.“ Und auch eine weitere Aufgabe hätte der Bürgermeister für die neuen Polizisten: E-Scooter-Fahrer kontrollieren.
E-Scooter
„Ich finde es richtig, dass die E-Scooter auf der Straße fahren. Auf dem Gehsteig sind sie viel zu gefährlich“, sagt Ludwig.
Man werde die Fahrer künftig verstärkt über die geltenden Regeln informieren, kündigte er an. „Aber den einen oder anderen Fahrer wird man auch strafen müssen, damit er sich daran hält.“
Info: Das nächste KURIER-Gespräch findet am 20. Februar um 18 Uhr statt. Weitere Details in Kürze.
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