Erstmals klagt Justiz ein Spital an

kunstfehler kerstin rehberger
Studentin starb nach OP: Nicht nur Ärzte, auch Krankenhauserhalter muss vor Gericht.

Es war ein Routine-Eingriff. Kirstin Rehberger überlebte diesen im November 2008 im Wiener Spital Göttlicher Heiland nicht. Seitdem forderten ihre Eltern und deren Anwalt, Sebastian Lesigang, Aufklärung: Wer ist schuld am Tod der 23-Jährigen?

Jetzt kommt die bisher schleppende Wahrheitsfindung in die Gänge: Die Wiener Staatsanwaltschaft hat einen Strafantrag formuliert, dessen Tragweite weit über diesen tragischen Einzelfall hinausgeht. Die Anklagebehörde zitiert nicht nur zwei Ärzte wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung unter besonders gefährlichen Umständen vor Gericht, sondern nimmt auch den Spitalserhalter, in diesem Fall die „Krankenhaus Göttlicher Heiland GmbH“, in die Pflicht. In Österreich ist das eine Premiere. Bisher gab es Anklagen nach dem Verbandverantwortlichkeitsgesetz nur im Umweltsektor.

Abstrakt formuliert geht es um eine brisante Frage, die Patientenanwälten seit Langem wie ein Geschwür im Magen liegt: Wer ist schuld – der Arzt oder das System? Gerald Bachinger, der Sprecher der österreichischen Patientenanwaltschaft, glaubt, dass sich dieser Präzedenzfall auf das gesamte System auswirken könnte. „Das wird die Patientensicherheit fördern.“ Es würden nicht nur Personen, die Ärzte, herausgepickt, sondern die Strukturen, in denen die Fehler passieren, hinterfragt.

Im Herbst 2008 schloss die 23-Jährige ihr Wirtschaftsstudium ab. Vor ihrem Einstieg ins Berufsleben wollte sie sich noch am 29. November 2008 ihre Senkfüße korrigieren lassen – eine Routine-OP. Der Eingriff verlief ohne Komplikationen, jedoch klagte sie über starke Schmerzen. Stunden später war sie tot. Mutmaßliche Ursache: Atemstillstand aufgrund einer Überdosis Schmerzmittel.

Keine Absprache?

Die Anklage zeichnet nach, wie beide Ärzte ihr ohne gegenseitige Absprache „eine Vielzahl schmerzstillender Medikamente“ verabreicht haben sollen. Die Präparate, heißt es in der Anklage, hätten „einander in ihrer atemhemmenden Wirkung verstärkt“, „die Patientin hätte sofort und ständig überwacht werden müssen“. Den beiden Medizinern, einer davon war damals Turnusarzt, drohen bis zu drei Jahre Haft.

Und was hat das mit dem Spital zu tun? Die Sachverständige Sylvia Fitzal hielt laut Anklage fest: Es habe zu wenig Wissen und Kommunikation gegeben. Ihr Fazit: „Man kann also davon ausgehen, dass im Krankenhaus ... ein organisatorischer Mangel bestand ...“. Die Geldbuße, die dem Spital nun droht, richtet sich nach Tagsätzen bis zu 10.000 Euro. „Wir unterliegen der Schweigepflicht und wollen das Verfahren abwarten. Bitte keine Vorverurteilung“, sagt Johannes Steinhart, ärztlicher Direktor des Spitals. Kirstins Eltern haben lange auf diesen Schritt gewartet: „Wir hoffen, dass damit die ganze Wahrheit ans Tageslicht kommt.“

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