KH Nord: Mehrkosten von 300 Millionen Euro

Krankenhaus Nord.
Die Stadt Wien rechnet im besten Fall mit Kosten von 1,29 Mrd. Euro. Das Worst-Case-Szenario liegt bei knapp unter 1,4 Mrd. Euro.

Mehr als 8000 Mängel auf der Baustelle, ein Management, das kein ausreichendes Know-how für derartige Projekte hat und nicht zuletzt ein Kostenanstieg auf bis zu 1,4 Milliarden Euro. Der Rohbericht des Rechnungshofs zum Krankenhaus Nord, aus dem am Dienstag die Kronen Zeitung zitierte, zeichnet ein verheerendes Bild vom Spitalsbau in Floridsdorf.

Laut Informationen aus dem Rohbericht, die dem KURIER vorliegen, wurde das Projekt von Anfang an falsch aufgesetzt: Anstatt eines Generalplaners hat der Krankenanstaltenverbund (KAV) mehrere Planer beauftragt. Die Abstimmung der Werks- und Montageplanung erfolgte durch die ausführenden Firmen in Selbstkoordination. Das begünstigte laut Prüfern Probleme auf der Baustelle.

Teils erfolgten kurios anmutende Fehlentscheidungen, die zu enormen Mehrkosten führten: So ließ der KAV von einer Firma einen Bauzaun-Auftrag ausführen, der nicht Teil des im Wettbewerb angebotenen Gesamtpreises war. Die Firma hatte sich daher mit ihrem vermeintlich günstigen Angebot durchgesetzt, dem KAV entstanden letztlich – wegen Naivität oder bewusster Inkaufnahme – Mehrkosten von über 800.000 Euro.

Auch bei der Finanzierung unterliefen der Stadt kostspielige Fehler: 2010 rief sie die Resttranche eines Darlehens der Europäischen Investitionsbank aus Gründen der Budgetkosmetik frühzeitig ab. Dadurch entstand aber ein Zinsmehraufwand von mindestens 30 Millionen Euro.

"Fehlentscheidungen"

Am Dienstagnachmittag nahmen die Verantwortlichen zu der verheerenden Kritik des Rechnungshofs Stellung. Gesundheitsstadträtin Sandra Frauenberger (SPÖ) räumte ein, dass es "mehrere Fehlentscheidungen" gegeben habe, "begonnen damit, dass der KAV seiner Rolle als Bauherr nicht ausreichend wahrgenommen hat." Jetzt gehe es darum, die Inbetriebnahme des Spitals bestmöglich abzuwickeln. Dabei will man auch Anleihe an Spitalsprojekten in anderen Bundesländern und im Ausland nehmen.

KH Nord: Mehrkosten von 300 Millionen Euro
ABD0018_20170320 - WIEN - ÖSTERREICH: (L-R): Michael Binder (Leitung der ärztlichen Agenden in der Generaldirektion des KAV), Evelyn Kölldorfer-Leitgeb (stellvertretende Generaldirektorin des KAV), Gesundheitsstadträtin Sandra Frauenberger (SPÖ) und Thomas Balázs (stellvertretender Generaldirektor des KAV) am Montag, 20. März 2017, während der Bekanntgabe der interimistischen Leitung des Wiener Krankenanstaltenverbundes (KAV) in Wien. - FOTO: APA/HERBERT NEUBAUER
"Es hat sich gezeigt, dass es nicht optimal war, keinen Generalplaner zu bestellen", sagte auch der zuständige stv. KAV-Generaldirektor Thomas Balazs.

Bei den Kosten geht Balazs aktuell mit Verweis auf die begleitende Kontrolle von 1,29 Milliarden im besten und knapp 1,4 Milliarden Euro im schlechtsten Fall aus. Das würde eine Kostenüberschreitung von 300 bis 400 Millionen Euro bedeuten, wobei er darauf hofft, die Mehrkosten über Versicherungen und Regressforderungen großteils wieder einbringen zu können.

Zur Erinnerung: Der KAV ging zuletzt von knapp 1,1 Milliarden Euro aus. Als vor wenigen Wochen im 2. Quartalsbericht des KAV von 1,3 Milliarden Euro die Rede war (der KURIER berichtete), sprach Balazs noch von einem "Tippfehler".

KH Nord: Mehrkosten von 300 Millionen Euro
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Laut Balazs werde das Spital baulich dieses Jahr fertig, 2018 werde man die technische Inbetriebnahme abschließen. "Ende des Jahres werden wir die Übersiedlung einleiten können. Ob die ersten Patienten vor oder nach Weihnachten 2018 behandelt werden, werden wir noch bekannt geben." Die Prüfer bezweifeln freilich, ob der Zeitplan einzuhalten ist.

Harsche Reaktionen kommen von der Opposition: FPÖ-Vizebürgermeister Johann Gudenus kündigt die Einberufung einer Untersuchungskommission an.

KH Nord: Opposition ist empört

2005 Bei der Klubklausur der SPÖ Wien wird der Bau des neuen Krankenhauses in Floridsdorf verkündet. Geplant waren damals noch 450 Betten, die Fertigstellung sollte bis 2011 erfolgen. Angepeilte Kosten: 250 bis 300 Millionen Euro.

2008 Als Standort wird das ehemalige ÖBB-Areal an der Brünner Straße ausgewählt. Mittlerweile plant die Stadt ein Spital mit 850 Betten und rechnet mit Kosten von 605 Millionen Euro, geplanter Baustart ist 2010, der Vollbetrieb wird für 2015 angepeilt. Aus dem Architekturwettbewerb geht Albert Wimmer als Sieger hervor.

2010 Auf dem Areal beginnen die ersten Abbrucharbeiten. Die Zahl der Betten wird zu diesem Zeitpunkt nur mehr mit rund 800 angegeben. Dafür rechnet man im KAV schon mit 825 Millionen Euro Gesamtkosten.

2012 Der KAV entscheidet, keinen Generalunternehmer zu bestellen, sondern selbst als Bauherr zu fungieren. Im September erfolgt die Grundsteinlegung.

2014 Der Rohbau wird fertiggestellt. Gleichzeitig gibt es in Medienberichten erste Hinweise darauf, dass das Spital erst 2017 fertig sein wird, was die Stadt dementiert. In internen Papieren ist von Fehlplanungen, mangelnder Projektsteuerung und "chaotischen Zuständen" die Rede. Die Kosten werden seitens der Stadt indexangepasst mit 954 Millionen Euro angegeben. Im August muss man aber eine Kostensteigerung von rund 50 Millionen Euro einräumen.

2015 Der KAV muss weitere Probleme zugeben: Das Spital wird um zehn Prozent und damit um gut 95 Millionen Euro teurer als im Jahr davor geplant. Damit ist die Milliardengrenze überschritten. Auch die Fertigstellung verzögert sich weiter von 2016 auf Juni 2017. Grund sind Fehler in der Statik sowie der Konkurs einer Fassadenbaufirma.

2016 Die FPÖ veranlasst eine Prüfung durch den Rechnungshof. Die bauliche Fertigstellung verzögert sich auf Ende 2017. 2018 soll die Eröffnung erfolgen.

2017 Im 2. Quartalsbericht des KAV wird eingeräumt, dass die Kosten auf 1,3 Milliarden Euro gestiegen sind. Im Herbst wird bekannt, dass der bis März 2018 laufende Vertrag des zuständigen KAV-Managers Thomas Balazs nicht verlängert wird. Seine Agenden übernimmt AKH-Direktor Herwig Wetzlinger.

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