Kontrolleure bei den Wiener Linien: Wer mehr straft, verdient mehr

Im ersten Moment mag es paradox klingen. Überstunden darf bei den Kontrolleuren der Wiener Linien nicht jeder machen. Einen Anspruch auf mehr Geld haben somit nicht alle „Schwarzkappler“, sondern nur jene, die pro Quartal eine gewisse Anzahl an Strafen verhängen. „Die offizielle Zahl kennen wir nicht. Es dürften um die 150 Strafen sein, die man ausstellen muss“, schätzt ein Mitglied der Gewerkschaftsfraktion FCG.
Drei Millionen kontrolliert
In Wien sind jeden Tag rund 100 Schwarzkappler gleichzeitig unterwegs. Über drei Millionen Fahrgäste wurden allein im vergangenen Jahr kontrolliert. Dabei scheint intern die Vorgabe zu gelten: Je mehr Strafen verhängt werden, desto besser. Um die Mitarbeiter anzuspornen, greifen die Wiener Linien demnach auf spezielle Methoden zurück.
Überstunden-Regelung
„Es sind mehrere Mitarbeiter auf mich zugekommen und haben gesagt, sie sind für Überstunden gesperrt. Grund dafür ist, dass sie zu wenig Strafen pro Quartal ausgestellt haben“, berichtet Gewerkschafter Herbert Weidenauer. Weidenauer ist mittlerweile seit eineinhalb Jahren in Pension, aber noch aktiver fraktionsloser Gewerkschafter.

Rund 100 Kontrolleure der Wiener Linien sind jeden Tag in Wien im Einsatz.
Zusätzliches Geld
Überstunden sollen im Arbeitsalltag generell nicht die Regel sein, heißt es seitens der Wiener Linien auf KURIER-Anfrage. „Es gibt aber die Möglichkeit, Überstunden zu beantragen. Diese Dienste werden, wenn wirtschaftlich gerechtfertigt, leistungsbezogen vergeben“, sagt Sprecherin Katharina Steinwendtner.
"Leistungsbezogen"
Was das im Detail für die Mitarbeiter bedeutet, will die Sprecherin nicht näher erläutern. Nur so viel: „Kontrolleure, die mehr Leistung erbringen, werden bei den Überstunden auch stärker berücksichtigt“, sagt Steinwendtner. Mehr sei dazu nicht zu sagen.
„Die Bereitschaft, Überstunden zu machen, ist bei uns unterschiedlich. Einige machen gar keine, andere bis zu 100 im Monat“, schildert ein Mitarbeiter, der anonym bleiben möchte. Besonders Kollegen mit Familien seien oft auf das zusätzliche Geld angewiesen.
Keine Strafen im Krankenstand
„Niemand macht gerne Überstunden. Aber wenn man zum Beispiel ein Haus abbezahlen muss, dann ist man auf das zusätzliche Geld angewiesen.“ Die genaue Zahl, wie viele Strafen man ausstellen muss, um Überstunden zu machen, weiß der Kontrolleur nicht.
Die Zahl der 150 Strafen soll laut Gewerkschaftern auch bestehen bleiben, wenn Mitarbeiter im Krankenstand sind. „Die Zählweise der Wiener Linien läuft weiter. Dass Mitarbeiter, die Tage oder Wochen krank waren, dann automatisch weniger Strafen ausstellen können, wird nicht berücksichtigt, wenn es um die Überstunden geht“, betont der FCG-Gewerkschafter.
Mehrere Aufgaben
Mit der Frage konfrontiert, heißt es seitens der Wiener Linien, dass das Management jederzeit zur Verfügung stehe, wenn Mitarbeiter bei diesem Thema Gesprächsbedarf hätten. Die Kontrolleure haben außerdem viel mehr Aufgaben, als nur Tickets zu kontrollieren, schreiben die Wiener Linien auf ihrer Homepage.
Das kann auch ein Mitarbeiter bestätigen: „Wenn es irgendwo einen Wasserrohrbruch in einer U-Bahnstation gibt, ist es unsere Aufgabe, die Fahrgäste zu informieren. In diesen ein, zwei Stunden kann ich keine Strafen verhängen.“
Prämie
Doch das ist nicht die einzige Methode, die die Wiener Linien für ihre Mitarbeiter wählen, um sie zu einer aktiven Strafpolitik anzuhalten. Ab 317 Strafen pro Quartal sollen Kontrolleure eine „Schwarzfahrer-Prämie“ erhalten, wie es der FCG-Gewerkschafter nennt.
„Mitarbeiter verdienen so bis zu 400 oder 500 Euro mehr.“ Die Prämien seien kein Firmengeheimnis, heißt es von den Wiener Linien. „Details zur Prämienregelung sind öffentlich im Kollektivvertrag einsehbar“, sagt Steinwendtner.
Durch dieses System entstehe unter den Mitarbeitern Missgunst. „Die Wiener Linien sollten sich überlegen, ob sie diese unterschiedlichen Prämien und Überstunden-Regelungen aufrechterhalten wollen oder Maßnahmen umsetzen, bei denen Kollegen nicht gegeneinander ausgespielt werden“, sagt Weidenauer.
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