"Das ist eine Kindesentführung": Mann wollte in Wien Mädchen entreißen
Es war der 15. November des Vorjahres. Eine Mutter überquerte mit ihrer 7-jährigen Tochter die Währinger Straße in Wien. Plötzlich näherte sich ein unbekannter Mann von hinten, riss ihr das Kind weg, schrie: "Das ist eine Kindesentführung!"
Nur das Einschreiten eines Parksheriffs verhinderte das Schlimmste. Der Mann, der Mutter und Tochter den Schreck ihres Lebens verpasste, ist ein 55-jähriger pensionierter Künstler und Autor.
Am Montag sitzt er vor dem Richter. Nicht als Angeklagter, sondern als Betroffener. Er ist psychisch schwer krank, war damals nicht zurechnungsfähig.
Fremder umklammerte Tochter von hinten
Vor Richter Christian Böhm schildert die Frau die traumatischen Sekunden: "Ich hatte meine Tochter an der Hand wie immer. Plötzlich hat sie geschrien." Als sich die Mutter umdrehte, sah sie, wie ein Fremder ihr Kind umklammerte, es wegriss. "Sie hat mir die Hände entgegen gestreckt, ich habe sie genommen und sie zu mir gezogen." Eine Rangelei entstand, das völlig verschreckte Mädchen in der Mitte. Schließlich versetzte der Angreifer der Mutter einen kräftigen Tritt ins Gesäß.
Ein Parksheriff wurde aufmerksam, stellte sich zwischen die Familie und den Mann. "Ich bin vehement dazwischen gegangen", schildert der Mann. "Ich habe als Mauer fungiert." Erneut habe der Mann versucht, nach dem Kind zu greifen. "Ich rufe die Polizei! Weisen Sie sich aus!", schrie der Parksheriff. "Da hat er plötzlich wirklich seinen Reisepass gezückt. Ich habe ein Foto davon gemacht, dann ist er gegangen."
Der Betroffene dankt
"Danke für Ihren Mut", bekommt er dafür zu hören. Nicht von der Mutter. Vom Betroffenen. Der Mann leidet an einer schizomanischen Psychose. Beim Prozess wirkt er klar, strukturiert. Doch damals hatte er die Medikamente abgesetzt um zu beweisen, dass "die Krankheit heilbar ist." Jetzt sagt er dazu: "Damit bin ich grandios gescheitert."
Zum Zeitpunkt des Vorfalls habe er seit Monaten keine Medikamente mehr genommen. "Als ich über die Währinger Straße gegangen bin, war ich schon tagelang schlaflos. Und ich sah diese Frau mit dem Kind, sie hat geschimpft. Das kam mir zu aggressiv vor." Als er zu Mutter und Kind ging, habe er geschimpft: "Heast Oide, reiß dich zamm!"
"Möchte mich entschuldigen"
Entführen wollen habe er das Kind nicht, nur retten. "Was mir den Vogel raus gehaut hat, war die Erinnerung an die Situation, als ich meine Kinder verloren habe." Die Kinder waren nach der Trennung mit der Mutter gegangen. "Das habe ich damals als Kindesentführung empfunden. Ich will mich von Herzen entschuldigen. Die Frau kommt völlig unschuldig zum Handkuss einer Psychose, die ich fahrlässig ausgelöst haben."
Dass sich Unheil anbahnte, war keine Überraschung. Schon zuvor gab es "polizeiliche Interventionen", weil er vor der Tür alter Freunde stand und dort auch "Kindesentführung" schrie. Ein anderes Mal stand er mit Blumen vor der britischen Botschaft. "Ich bin zwei Mal beim Otto Wagner-Spital gestanden. Aber die haben mich heimgeschickt, die sind gerade übersiedelt", schildert der Mann.
Wie die Schöffen entschieden
"Es war sicher eine bizarre und beängstigende Szene", gesteht Rechtsanwalt Johannes Maximilian Fouchs zu. "Aber er hat wirklich gedacht, er muss da eingreifen."
Ein Schöffengericht muss über eine Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum entscheiden: Bedingte Einweisung, rechtskräftig.
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