Fahndung nach Familien: Wenn Eltern ihre Kinder entführen
Seit sieben Monaten wohnten drei Kinder bei ihrer 38-jährigen Mutter in Wien, obwohl diese das Sorgerecht verloren hatte.
Als sich die Behörden Mitte Februar einschalteten, tauchten das vierjährige Mädchen, ihre 13 Jahre alte Schwester und der 11-jährige Bruder unter.
Wo sich die Kinder derzeit aufhalten, ist unklar. Vor einer Woche tauchte der 11-Jährige kurz wieder auf – in Begleitung seines Vaters. Doch nur einen Tag später verschwand der Bub erneut. Die Polizei spricht in einem solchen Fall von „Kindesentziehung“ – der Entführung einer Person unter 16 Jahren.
Die Anzahl der Kindesentziehungen in Österreich schwankte in der vergangenen Dekade laut Angaben des Bundeskriminalamts zwischen 80 und 112 Fällen pro Jahr. Besonders in den Jahren 2017 und 2018 gab es überdurchschnittlich viele Kindesentführungen.
Hohe Aufklärungsquote
„Wenn Eltern das Sorgerecht haben, können sie prinzipiell über den Aufenthalt der Kinder entscheiden. Wenn man dem Partner aber nicht Bescheid gibt, der sich Sorgen macht und die Polizei einschaltet, spricht man sehr wohl von Kindesentziehung“, erklärt Ingrid Pöschmann, Sprecherin der Kinder- und Jugendhilfe (MA 11).
Die Aufklärungsquote bei diesem Delikt lag in den vergangenen zehn Jahren laut Bundeskriminalamt zwischen 93 und 100 Prozent. Dass Eltern überhaupt so weit gehen und ihre Kinder entführen, lasse sich in vielen Fällen mit Paarkonflikten erklären.
Vater setzte sich ab
„Wenn man ohne Absprache seine Kinder mitnimmt, dann zeigt das, wie die Kommunikation in dieser Beziehung läuft. Auf diese Art glaubt ein Elternteil, sich durchsetzen zu können“, schildert Pöschmann. So dürfte es sich auch in einem aktuellen Fall in Floridsdorf zugetragen haben.
Eine 34-jährige Mutter wurde am Montag darüber informiert, dass ihr 33-jähriger Mann nicht bei seiner Arbeit aufgetaucht war, die zweijährige Tochter sowie der fünfjährige Sohn kamen nicht in den Kindergarten. An diesem Montag hätte die Familie eigentlich einen Termin mit der MA 11 gehabt. „Es wäre in einem Gespräch um unterstützende Erziehungsmaßnahmen gegangen“, sagt die Sprecherin der MA 11.
So weit kam es aber nicht: Als die Mutter am Montag in die gemeinsame Wohnung fuhr, brannte diese. Von ihrem Mann und den gemeinsamen Kindern fehlte jede Spur. Nach einer Fahndung wurde am Mittwoch schließlich das Auto des 33-Jährigen in Deutschland geortet, auf der Rückbank saßen die Kinder.
„Wir schauen nun, dass wir das Mädchen und den Buben schnellstmöglich nach Wien zurückbringen“, so Pöschmann. Im nächsten Schritt werde dann entschieden, wie man die Familie weiter unterstützt.
Anlaufstelle für Eltern und Kinder
Die MA 11 ist für betroffene Eltern unter der Telefonnummer +43 1 4000-8011 oder per Mail unter post@ma11.wien.gv.at zu erreichen. Die Beratungen finden von Montag bis Freitag, von 8 bis 18 Uhr statt.
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