Ein besseres Leben
Das Lokal, wo der Vater erschossen wurde, gibt es noch immer. Kexin Li meidet den Platz bewusst nicht. „Das bringt nichts“, sagt sie und erinnert sich an die unzähligen Kerzen und Blumen, die vor dem Lokal abgelegt wurden.
Aber auch daran, dass sie diese Zeichen der Anteilnahme mit ihrer Familie gemeinsam wegräumen und wegschmeißen musste.
Es war das Lebenswerk der Eltern. Als diese nach Österreich kamen, waren sie 16 bzw. 17 Jahre alt. Gemeinsam bauten sie sich das kleine Restaurant auf. Die beiden Töchter kamen in Wien zur Welt, wurden im Lokal groß. Denn Freizeit gab es für die Eltern nur selten.
Gefühle spielen verrückt
Der Jahrestag wird für die gesamte Familie eine Herausforderung. „Je näher er kommt, desto mehr spielen die Gefühle verrückt“, erzählt sie. Sie hat sich schon den Tag zuvor freigenommen. „Um mich mental darauf vorzubereiten.“
Den 2. November will sie mit ihrer Mutter und ihrer Schwester verbringen. „Ich möchte auch an ein oder zwei Gedenkveranstaltungen teilnehmen. Vielleicht schaffen sie es auch“, sagt sie.
Die Mutter, erzählt sie, gehe seither kaum noch aus der Wohnung. Deutsch spricht sie nur mehr wenig. „Auf Deutsch ist ihr mitgeteilt worden, dass ihr Mann erschossen worden ist“, erklärt Kexin Li.
Auch die Schwester kämpft. Sie hat im November Geburtstag. Doch feiern will sie ihn künftig nur noch in einem anderen Monat.
Unter die Haut
Nicht nur sie kämpfen mit den Folgen des Terroranschlags. Anwalt Newole vertritt insgesamt 24 Betroffene. Kurz vor dem Jahrestag hat er sie gefragt, wie es ihnen geht. Die Antworten gehen unter die Haut.
„Die Todesangst von damals hat mich verändert und es ist nicht leicht, weiterhin an das Gute im Menschen zu glauben.“
„Manchmal steige ich aus dem Bus aus, weil ich Angst habe, dass jemand, der eingestiegen ist, ein Terrorist sein könnte.“
„Ich hatte Todesangst. Bis heute Albträume wegen dem jungen Mann, der neben mir erschossen wurde. Jedes schussähnliche Geräusch erinnert mich an dieses Ereignis.“
„Wir sind weggezogen aus Wien und ich werde nie mehr in den 1. Bezirk gehen.“
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