Das bedeutet: Erst in sieben Jahren, wenn die Arbeiten abgeschlossen sind, wird es laut den Plänen der Wiener Linien wieder einen Lift geben.
Barrierefreiheit besteht also keine – zum Unmut vieler Betroffener, wie der KURIER berichtete. Auch
Pichler vom Behindertenrat ärgert sich: „Das ist eine Ungeheuerlichkeit.“ Er ist selbst Rollstuhlfahrer.
Die Empfehlung der Wiener Linien lautet: Fahrgäste, die einen barrierefreien Aufgang benötigen, sollten die Rampe nutzen. Ist man stadteinwärts unterwegs (wo es beim Ausstieg nur Treppen gibt), solle man zwei Stationen weiter bis zum
Karlsplatz fahren. Dort solle man dann umsteigen, zurückfahren und die Rampe auf dem Bahnsteig stadtauswärts benutzen.
Diese ist aus Sicht von Pichler und vielen anderen Rollstuhlfahrern aber kein Ersatz für einen Aufzug. Denn die Rampe sei viel zu lang und viel zu steil, um sie zu nutzen.
Herbert Pichler hat das selbst getestet: „Ich bin bergab gefahren und habe gebremst. Obwohl ein trockener Tag war, bin ich gerutscht. Wenn ich alleine bremsen müsste, würde ich mit Passanten zusammenstoßen, die mir entgegenkommen“, sagt er. Auch bergauf kann er die Rampe nicht benützen: „Und das, obwohl ich einen starken Oberkörper habe“, so Pichler.
Emil Benesch, der beim Behindertenrat für Barrierefreiheit zuständig ist, verlangt mehr Respekt von den Wiener Linien. In deren Kommunikation mit den Verbänden fehle es an Verständnis und Respekt, kritisiert er. „Menschen mit Behinderungen sind nicht behindert – sie werden behindert. Insbesondere seitens der Wiener Linien werden sie mit Barrieren konfrontiert, die nicht nötig sind.“
Über „massive Einschränkungen“ wie aktuell in der Pilgramgasse werde man lediglich kurzfristig informiert, ein Austausch finde nicht statt. „Andere Verkehrsunternehmen binden uns auf Augenhöhe und umfassend in die Planung und alle Prozesse ein. So können wir von Anfang an gemeinsame Lösungen finden. Bei den Wiener Linien vermissen wir diese Zusammenarbeit. Es wird gebaut, wie man glaubt“, sagt Benesch.
Dass die Barrierefreiheit vielerorts vernachlässigt wird, zeigen auch andere Beispiele. Die österreichische Interessensvertretung von und für Menschen mit Behinderungen (ÖZIV) hat etwa 2018 erhoben, dass nur 44,6 Prozent der Geschäftslokale in Wiener Einkaufsstraßen stufenlos sind.
Und das, obwohl eine gesetzliche Verpflichtung zur Barrierefreiheit besteht. Umgesetzt ist das aber bei Weitem nicht. Grund für Mängel seien Zumutbarkeitsbestimmungen im Gesetz, erklärt Behindertenanwalt Hansjörg
Hofer. Ist einem Unternehmen ein Umbau zum Beispiel wirtschaftlich nicht zuzumuten, kann eine Ausnahme gemacht werden. „Bei einem Projekt von der Größenordnung wie dem Umbau der U-Bahn-Station Pilgramgasse kann das aber nicht der Fall sein. Hier muss es einen Aufzug geben“, sagt Hofer.
Bevor es zu einer Klage kommt, schreibt das Gesetz ein verpflichtendes Schlichtungsverfahren vor. Das Ziel: Beide Parteien suchen nach einer außergerichtlichen Lösung. Hofer ist jedenfalls kämpferisch: „Sollten wir in diesem Verfahren nicht zu dem Ergebnis kommen, dass ein Lift gebaut wird, kommt es voraussichtlich zu einer Klage.“
Reumannplatz: 62.000 Fahrgäste und nur ein Lift
Derzeit wird auch der Reumannplatz in Wien-Favoriten umgebaut. Für die Neos im Bezirk ein guter Zeitpunkt, mehr für die Barrierefreiheit zu tun: Sie fordern eine zweiten Lift. Bisher sind sie bei den Wiener Linien jedoch abgeblitzt. Glaubt man Klubchefin Christine Hahn und der Neos-Sozialsprecherin Bettina Emmerling, reicht ein Aufzug bei der U1-Station Reumannplatz nicht aus. Schon jetzt würden hier Frauen mit Kinderwägen und Menschen mit Gehbehinderungen täglich Schlange stehen. „Und wenn der Lift kaputt ist, können die Leute die Station gar nicht nutzen“, ärgert sich Hahn.
Die Wiener Linien argumentieren, dass ein zweiter Lift bautechnisch nicht machbar sei. Das glauben die Neos nicht. Eine eigene Überprüfung habe das Gegenteil ergeben. Sie wollen die Forderung nicht fallen lassen, Ende Februar will Emmerling das Thema in der Gemeinderatssitzung einbringen. Denn: Obwohl der Reumannplatz seit 2017 nicht mehr die U1-Endstation ist, würden noch immer rund 62.000 Fahrgäste die Station nutzen. „Ich bin erbost, dass es offenbar nicht notwendig ist, bei so vielen Menschen einen zweiten Lift zu bauen“, erklärt Hahn.
Kommentare