Kein Kinderspiel: Vorführungen für Erwachsene in der Kasperlbühne
„Ich glaub, ich brauch’ ein Bier. Bei dem ganzen Mist kann man sich ja nur ansaufen“, sagt der Kasperl. Immerhin machen ihm allerhand finstere Gesellen das Leben schwer: „Ich muss mehr auf meine Work-Life-Balance schauen. Die vielen Krokodile, Teufel und Hexen, und jetzt auch noch der Tod. Das wird mir alles zu viel.“
Das Kasperltheater – nur ein Spaß für die Kleinen? Mitnichten: Auf der Bühne des traditionellen Wiener Praterkasperls gibt es im Juni auch ein Programm für Erwachsene: „Der Volkskasperl“ heißt der Abend, an dem Kasperl und Gretel nicht nur Konkurrenz durch einen bösen Kasperl bekommen, sondern es auch noch mit Trump und Putin, Tod und Teufel aufnehmen müssen.
Schwarze Magie
„Der Kasperl war immer eine Figur, die es den Mächtigen reinsagt. Daher ist er viel mehr als nur eine Figur für Kinder“, erzählt Thomas Ettl. Ettl, übrigens viele Jahre für den KURIER als Nachtredakteur tätig, spielt mit seiner Kollegin Elis Veit seit mehr als 35 Jahren Kasperltheater. Auch den „Volkskasperl“ haben sie gemeinsam erschaffen: Ettl schrieb den Text und die Songs, Veit gestaltete Bühnenbild und Puppen.
Wie die Idee entstand? „Wenn man hört, dass sich jemand ‚Volkskanzler‘ nennt, drängt sich die Idee auf, ein Stück über den ‚Volkskasperl‘ zu schreiben“, erwidert Ettl und lacht. „Wir haben uns gefragt: Wie wird man so? Und sind zum Schluss gekommen: Da muss schwarze Magie im Spiel sein.“
Und so geht die kunterbunte Reise los: Kasperl und Gretel wollen eigentlich nur einen gemütlichen Abend auf der Couch verbringen. „Jetzt müssen die im Fernsehen auch schon bei den Nachrichten jodeln. Alles nur wegen der neuen Leitkultur“, klagt der Kasperl.
Das Team
Elis Veit und Thomas Ettl spielen seit mehr als 35 Jahren gemeinsam Kasperltheater. Der Standort des kleinen Theaters im Prater wechselte mehrere Male.
Seit 2006 spielen sie im kleinen Theater am Wurstelplatz 1.
Termine
Tagsüber finden Vorstellungen für Kinder statt. Der „Volkskapserl“ steht an allen Samstagen im Juni ab 20 Uhr auf dem Programm.
Informationen und Tickets
Eintritt: 17 Euro, Reservierung: praterkasperl.com/volkskasperl
Zwei Kurz-Besuche
Doch damit nicht genug des Ungemachs: Plötzlich steht Sebastian Kurz vor der Tür, der nach der Politik neue Karrierewege gehen möchte („Ich habe nie gesagt, dass ich mich nicht als neuer Kasperl bewerben werde“). Und auch der Tod schaut kurz vorbei („Oje, hab ich Sie erschreckt? Das wollte ich nicht. Ich wollte mich nur ein bissl ausrasten, bevor es weitergeht, das Sterben“).
Währenddessen sinniert der designierte „Volkskasperl“ Kuckl über seine berufliche Zukunft – „Habe nun, ach, Publizistik, Geschichte und leider auch Philosophie durchaus studiert, mit heißem Bemüh’n. Doch leider nicht fertig“ – und hält volksnahe Reden im Schweizerhaus.
Bis ihm ein Zauberbuch in die Hände fällt: Zu einem günstigen Preis (seine Seele) verspricht der Teufel, ihn zum Volkskasperl zu machen. Und nicht nur der Teufel, auch Donald Trump („Make Österreich great again! I would build a wall“) und Wladimir Putin („Du musst kein Demokrat sein, um Chef einer Demokratie zu sein“) stehen ihm mit Rat und Tat zur Seite.
„Hit the Road, Tod“
Ungünstigerweise möchte der Tod dem Volkskasperl einen Strich durch die Rechnung machen, und ihn just zu Beginn seiner Karriere holen. „Wollen Sie freiwillig ausreisen oder muss ich sie remigrieren lassen?“, erbost sich Kuckl gegenüber dem Tod. Und richtet ihm mit dem Song „Hit the Road, Tod“ aus, was er von ihm hält.
Muss sich der Tod tatsächlich geschlagen geben, und wird der Volkskanzler doch die Weltherrschaft erlangen? Über das Ende sei hier noch nicht viel verraten: Nur dass es einen Zauberspruch und auch ein bisschen Hilfe des Publikums braucht.
„Achtung, Satire“
Die Vorpremiere in Wien fand übrigens am 20. April (Hitlers Geburtstag, Anm.) statt, was zu einem Missverständnis führte: „Offenbar hat jemand das Wort ‚Volkskasperl‘ in unserem Programm missverstanden und befürchtet, dass es sich um Wiederbetätigung handeln könnte“, erzählt Ettl. Beim Anruf der Polizei ließ sich der Irrtum schnell aufklären. „Eigentlich ist es ja gut, wenn die Menschen so aufmerksam sind“, fügt Ettl hinzu. „Achtung, Satire“ ist nun aber zur Sicherheit groß auf der Website zu lesen.
Auch in Weikersheim in Deutschland gab es übrigens eine Vorpremiere – auch sie war ein Erfolg. „Dort funktioniert das Stück genauso gut. Einen Volkskasperl gibt es halt einfach überall“, sagt Ettl und lacht.
Im Juni kann man den „Volkskasperl“ nun im Prater kennenlernen. Und vor den Bösewichten muss man sich hier nicht fürchten. Denn wie sagen Kasperl und Gretel? Gott sei Dank sind wir im Kasperltheater.
Kasperlfiguren unterhalten die Menschen seit Tausenden Jahren: So gab es etwa schon in Indien vor 3.000 Jahren einen lebenslustigen Kindgott, der mit seiner Pritsche (Pracker, Anm.) Monster bekämpfte.
In der römischen Unterwelt wiederum war der „Helequin“ unterwegs: Der war ein gutmütiger Teufel, der die Verstorbenen mit seiner Pritsche bewaffnet gegen den Höllenhund verteidigte. Später wurde daraus in Italien der Arlecchino, also der Harlekin, der anstelle des räudigen Teufelsfells ein Kostüm aus bunten Rhomben trug.
Heutzutage gibt es in vielen Ländern der Welt Kasperlfiguren: etwa in England den Mr. Punch, in Frankreich Polichinelle, in Italien Pulcinella oder in Russland Petruschka.
„Unser“ Kasperl in Österreich geht auch auf den Hans Wurst zurück – eine Figur, die ursprünglich nicht für Kinder gedacht war, da er derb fluchte und schimpfte. Ab 1957 kam dann der kindertaugliche Kasperl ins Fernsehen: Er, Pezi und der Drache Dagobert eroberten rasch die Herzen von Generationen von Kindern.
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