"Etwas zurückgeben"
Ein Glück also, dass der Pool an Freiwilligen in der aktuellen Saison aus 85 Personen besteht: Viele Studierende, Berufstätige, die Wochenend- und Abendschichten besetzen und Menschen im Ruhestand, so wie Scalisi. „Ich hatte eine schwerbehinderte Tochter, die schon gestorben ist. Die Caritas hat sie damals sehr gut betreut. Und ich habe das Gefühl, dass ich jetzt auf diese Weise etwas zurückgeben kann“, erklärt sie ihre Motivation.
Wie es nach den Gesprächen für die obdachlosen Klientinnen und Klienten weitergeht, erfährt Scalisi nur ganz selten. Mit dem Eintrag in die Datenbank ist ihre Arbeit eigentlich getan – bis das Telefon wieder klingelt. Die Arbeit der Sozialarbeiter und Streetworker fängt jetzt erst an.
„Für mich sind am Telefon deshalb zwei Dinge wichtig – der Standort und der Zustand der Person“, sagt die Pensionistin. Denn nur mit diesen Informationen können die Sozialarbeiter eine Reihung erstellen, damit die dringendsten Fälle auf ihrer Tour zuerst drankommen.
Im Zweifel: Anrufen
„Man darf nicht glauben, dass eh schon jemand angerufen hat“, sagt Susanne Peter, die auf dem Vierertisch schräg gegenüber sitzt. Peter, lange Jahre leitende Sozialarbeiterin der Gruft, hat 2012 das Kältetelefon gemeinsam mit Klaus Schwertner aufgebaut. „Gerade von stark frequentierten Plätzen bekommen wir sehr wenige Anrufe. Die Passanten denken dann vielleicht, es hat uns sicher schon jemand gemeldet. Aber rufen Sie lieber einmal zu viel an, als gar nicht.“
Denn manchmal komme zu einer Person an einem viel besuchten Ort nur ein einziger Anruf. Und der rettet oft Leben. 566 Menschen sind in Österreich in den letzten 21 Jahren erfroren.
Gefahr bei Plusgraden
Aber auch an den wärmeren Tagen zwischen November und April solle man sich nicht scheuen, die Nummer des Kältetelefons zu wählen, sagt Peter: „Die Situation kann auch bei Plusgraden kritisch sein. Einmal haben wir einen Klienten in sehr schlechtem Zustand in einer Tiefgarage gefunden. An dem Tag hatte es 17 Grad. Aber als wir ihn ins Krankenhaus gebracht haben, hatte er eine Körpertemperatur von nur 29 Grad.“
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Die fehlende Ausrüstung vieler obdachloser Menschen habe eben oft fatale Folgen. Auch deshalb wird immer nach der Farbe des Schlafsacks gefragt. Denn ist er schwarz, handelt es sich ziemlich sicher um einen Winterschlafsack der Gruft, der Temperaturen bis minus 24 Grad aushält – eine wichtige Information für die Reihung der akuten Fälle.
„Das Kältetelefon gibt die Möglichkeit hinzuschauen und direkt etwas tun zu können. Das ist wichtig für die Gesellschaft, glaube ich“, sagt Scalisi. Es schauen tatsächlich viele hin: Seit die Leitungen Anfang November geöffnet wurden, hat das Telefon schon 7.163 Mal geklingelt. Und der Winter ist noch lang.
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