Die Profibanden sind zurück

Schullin (Bild), Haban, Berthold, Antalya: Vier Juweliere wurden geplündert, die Spuren könnten zu einer Bande in Serbien führen, die Spielschuldner als Räuber anwirbt
Zahl der Überfälle sank heuer. Warum es vor Weihnachten so viele Coups gab.

Im Fernsehen geht das alles sehr leicht. Bei CSI dauert es nur ein paar Minuten, dann sitzt der Täter in Haft“, sagt Oberstleutnant Robert Klug vom Landeskriminalamt Wien. „Doch in der Realität sind gerade bei Juwelierüberfällen die Ermittlungen äußerst mühsam.“

Denn die meisten Räuber reisen nur für die Tat an, kaum einer wird auf frischer Tat ertappt. Gerade zwei Mal in den vergangenen Jahren gelang das. Meist müssen aufwendig Überwachungsbilder durchgearbeitet werden, viele Ermittlungen laufen über das Ausland.

Schullin: Keine Spur

Ein plakatives Beispiel ist der Überfall auf den Juwelier Schullin am noblen Kohlmarkt im November. Es gibt perfekte Bilder aus der Überwachungskamera – doch keinen einzigen auch nur irgendwie brauchbaren Hinweis. „Niemand hat die beiden Räuber offenbar gesehen“, berichtet Klug.

Die Raubermittler sehen bei diesem Überfall einen unerfreulichen Trend: Die Profi-Banden sind wieder zurück. Im März gelang ein großer Schlag gegen eine serbische Millionen-Bande, die „Cacak-Connection“. 21 Täter wurden ausgeforscht, acht davon bereits zu insgesamt 64 Jahren Haft verurteilt.

Danach war es ziemlich ruhig, im Sommer wurden relativ wenige Juwelier überfallen. Doch nun schlagen die Profis wieder zu und nutzen den Weihnachtstrubel zur Flucht. Innerhalb weniger Wochen wurden die noblen Juweliere Haban, Schullin und auch kleinere – Antalya in Favoriten und Berthold in der Josefstadt – Opfer. Die Fahnder glauben, dass diese Überfälle in Zusammenhang stehen. „Das könnte die von uns zerschlagene serbische Pink-Panther-Bande gewesen sein, die sich neu formiert hat“, erklärt Klug. Statt teurer Uhren dürften sie nun auf eine weit reichende Palette zurückgreifen. Auch kleinere Geschäfte sind für die Bande kein Tabu mehr. „Für uns wäre es keine Überraschung, wenn es bis Jahresende noch weitere Überfälle gibt“, sagte Klug bereits vor dem Raub in der Josefstädter Straße.

Serbien liefert nicht aus

Das Problem ist, dass nicht alle Hintermänner hinter Gittern sitzen. „Uns wäre es am liebsten, wenn Serbien seine eigenen Staatsbürger ausliefern würde“, meint ein Raubermittler. Mit anderen Ländern wie etwa Rumänien würde dies funktionieren. Deshalb können in Serbien weiterhin Räuber angeworben werden. Meist haben diese Spielschulden, die sie mit Überfällen in Mitteleuropa abarbeiten müssen.

Insgesamt gab es in diesem Jahr 20 Juwelier-Überfälle (im Jahr davor 26). Wobei die Zahl nicht ganz exakt ist. In einem Fall geht das Landeskriminalamt davon aus, dass es sich „nur“ um räuberischen Diebstahl handelt. Somit sind es 19 Coups.

„Trotz der schwierigen Ermittlungen haben wir eine hohe Klärungsquote“, sagt Klug. Sie lag in den vergangenen Jahren bei mehr als 70 Prozent.

Es war vor knapp einem Monat, als ein zunächst unauffälliger Mann das Uhrengeschäft von Michael C. Haban betrat. Schnell wurde klar, dass der vermeintliche Kunde nicht vor hatte, zu bezahlen. Seitdem ist das Geschäft in der Wiener City geschlossen, der Täter ist noch nicht ausgeforscht.

KURIER: Warum haben Sie Ihr Geschäft noch nicht wieder aufgemacht?

Haban: Bei dem Überfall wurde fast meine gesamte Ware gestohlen. Gleich danach haben mich also vor allem die wirtschaftlichen Aspekte beschäftigt. Später wird einem dann bewusst, dass man Glück hatte, dass nicht mehr passiert ist. Zurzeit betreue ich nur langjährige Stammkunden und fange so langsam wieder zu arbeiten an.

Haben Sie vor, bald wieder zu eröffnen?

Es steht noch kein konkreter Termin fest, weil ich noch unsicher bin, ob ich überhaupt wieder in diesem Geschäft arbeiten will und kann. Es ist momentan einfach noch immer ein komisches Gefühl dabei. Jedes Mal wenn ein Kunde hereinkommt, denkt man nach, ob er einem vielleicht Böses will. Man ist misstrauisch und kann gut und böse nicht mehr unterscheiden.

Haben Sie die Sicherheitsvorkehrungen verstärkt?

Mein Geschäft ist gut gesichert, aber ich denke seit dem Raub viel darüber nach, wie ich die Sicherheit noch weiter verbessern könnte. Für einen Einzelunternehmer ist das schwieriger als für große Ketten. Ein bewaffneter Sicherheitsmann vor dem Geschäft kostet viel Geld. Seit dem Überfall hat die Polizei ihre Präsenz verstärkt. Die Beamten schauen von Zeit zu Zeit sogar im Geschäft vorbei.

Ist man sich als Juwelier ständig des Risikos bewusst?

Natürlich denkt man in so einer Risikobranche nach, was passieren könnte und versucht sich darauf vorzubereiten. Vielleicht hat mir das auch geholfen, als es dann notwendig war. Als der Räuber in mein Geschäft kam, habe ich einfach instinktiv reagiert. Ich habe mich nicht gewehrt, sondern bin ruhig geblieben und habe gemacht, was er verlangt hat. Ich denke, dass aufgrund meiner Reaktion auch nicht mehr passiert ist.

Für zwei Menschen wurde der 2. Juli zum Schicksalstag: Für einen 43-jährigen litauischen Juwelenräuber war es der letzte Tag seines Lebens, er wurde von hinten erschossen. Doch auch am mutmaßlichen Schützen, dem Juwelier Günther K. (63), ging das nicht spurlos vorüber. Er hat sich aus dem Geschäftsleben zurückgezogen, bis heute hat er kein Interview über den Hergang gegeben. „Ihm geht es noch immer sehr schlecht“, heißt es aus seinem Umfeld.

In den kommenden Tagen (noch vor Silvester) wird die Staatsanwaltschaft Wien entscheiden, ob es zu einem Prozess gegen Günther K. – etwa wegen Notwehrüberschreitung – kommt. Dem Vernehmen nach stehen die Zeichen eher darauf, dass die Ermittlungen eingestellt werden und kein Verfahren stattfindet. Die Räuber bedrängten und bedrohten seine Ehefrau so sehr, dass laut Justiz-Insidern eine Notwehr gerechtfertigt erscheint, um einen Angriff gegen Leib und Leben abzuwenden.

Wird das Verfahren eingestellt, reiht es sich nahtlos in die bisherige Praxis der Staatsanwaltschaft ein. Der Notwehrbegriff bei Raubüberfällen und Einbrüchen wird in Wien eher weit ausgelegt. Erst im Oktober wurde das Verfahren gegen den Taxifahrer Günther W. (59) eingestellt, der einen Pakistani erschossen hat. Dieser hatte ihn von hinten mit einem Messer bedroht. Eher überraschend kam es auch 2004 nicht zu einem Verfahren als ein Juwelier in der Meidlinger Hauptstraße einen Einbrecher durch den Rollbalken erschossen hatte. Auch 2010 durfte ein Trafikant einen Räuber erschießen.

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